Im Rahmen von Stuttgart 21 will die Stadt hinter dem Bahnhof das neue Rosensteinviertel bauen. Jetzt kam heraus: Der Stadt fehlen 4,5 Hektar für die Parkerweiterung – nämlich das alte Paketpostamtareal. Und das könnte teuer werden.

Stuttgart - Als „sehr informativ“ hatte die OB-Kandidatin der SPD, Bettina Wilhelm, einen Spaziergang mit Sozialdemokraten auf Stuttgart-21-Pfaden im Stuttgarter Norden vor zwei Wochen empfunden. Das würden mittlerweile viele Stadträte unterschreiben, obwohl sie gar nicht dabei waren. Denn im Zeitungsbericht über die Führung wurde der Stadtplaner Uwe Stuckenbrock damit zitiert, dass sich das besichtigte 4,5 Hektar große Areal des ehemaligen Paketpostamts noch gar nicht in städtischer Hand befinde.

 

Wenn also Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) über die Bebauung des Geländes hinter dem Bahnhof (Rosensteinviertel) sprach und dabei freudig betonte, die Grundstücke vorsorglich erworben zu haben, „um neben der Planungshoheit auch den späteren Verkauf bestimmen zu können“, bezog sich das nur auf 117 Hektar Bahngelände – nicht aber auf das strategisch wichtige, rund 45 000 Quadratmeter (4,5 Hektar) große Postgelände zuzüglich eines weiteren, etwa 2000 Quadratmeter großen Anteils an der Ehmannstraße.

Zentrale Lage ohne Anwohner

„Das ist keine neue Nachricht“, betonte der Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) auf Anfrage. Und sein Kollege Michael Föll (CDU) vom Finanzreferat bemerkte, man habe ja wohl noch einige Jahre Zeit, bis das Gelände benötigt werde. „Die Kaufverhandlungen führen wir sicher nicht über die Zeitung“, so Hahn. Würde der Preis für das ans Postareal angrenzende Gebiet „B“ ein Maßstab sein, das die Stadt 2001 für 90,5 Millionen Euro erwarb und das Ende 2010 einen Verkehrswert von 200 Millionen Euro hatte, müssten mindestens 35 Millionen Euro aus dem Stadthaushalt aufgewendet werden. Hahn sieht die Kommune in einer guten Position: Der Flächennutzungsplan 2010 sehe dort Grün vor, die Genehmigung beschränke sich zudem auf die Anlieferung der Pakete über die Schiene. Dass sich die Post vor dem Vertragspoker zögerlich gibt, findet er normal. Deren Pressesprecher Hugo Gimber sagte nämlich gegenüber der Stuttgarter Zeitung, es gebe in seinem Unternehmen überhaupt „keine Planungen, am jetzigen Zustand etwas zu verändern“. Er preist den Standort: Das alte Paketpostamt sei zentral gelegen und biete die Möglichkeit, ohne Anwohner zu belästigen, den Verkehr mit Lastwagen abzuwickeln. Diese bringen die Pakete vom Verteilzentrum in Köngen zu den Zustellbasen am Rosensteinpark, wo sie auf kleinere Fahrzeuge umgeladen werden. Allein 17 elektrobetriebene Fahrzeuge seien in der Innenstadt unterwegs. Außerdem seien unter dem Dach die Postfachanlage für Großkunden untergebracht und auch Verwaltungsabteilungen wie die Rentenstelle. Die Gleise würden von privaten Eisenbahnvereinen genutzt. „Hier geht weiter die Post ab“, sagte Gimber.

Die Fläche ist von strategischer Bedeutung

Die Stadtverwaltung hat den Umstand, erst noch über den Kauf dieses Filetstücks an der nordöstlichen Ecke des Stuttgart-21-Gebiets verhandeln zu müssen, im Rahmenplan so erwähnt, dass sie eine „grundsätzliche Bereitschaft“ der Post attestierte, „in Abstimmung mit der Stadt langfristige Konzepte zu ermitteln“. Die Besitzlosigkeit wurde aber auch immer wieder kaschiert. So finden sich viele Darstellungen mit der Aufteilung der Gebiete hinter dem Bahnhof, bei denen das Postareal einfach dem 45 Hektar großen Gebiet „B“ zugeschlagen ist. Auch im Rahmenplan geht es munter durcheinander. Einmal wird die Beschreibung mit „Teilgebiet B/Postareal“ überschrieben und die gesamte Größe korrekterweise mit 48 Hektar angegeben. Ein anderes Mal heißt es unter dem Titel „Teilgebiet B“, in seiner nordöstlichen Ecke „befinden sich gegenwärtig die Gebäude des ehemaligen Paketpostamts“. Im Text heißt es: „Eine Dauernutzung des Paketpostamts ist nicht vorstellbar.“ Die Fläche solle dem Rosensteinpark zugeschlagen werden. Das erscheint wiederum zu holzschnittartig: Darstellungen des Stadtmessungsamts zeigen, dass etwa ein Drittel des Postareals nicht der Parkerweiterung um 20 Hektar dienen soll, sondern einer Bebauung. Strategische Bedeutung hat die Fläche allemal: Die in einer Animation dargestellte Parkpromenade mit herrlichem Blick aufs Schloss Rosenstein setzt laut Rahmenplan „die Beseitigung des ehemaligen Paketpostamts voraus“.