Stuttgart 21 Ramsauer fordert Einlenken der Projektpartner

Der Appell, endlich zusammen statt gegeneinander zu arbeiten, hallt den Projektpartnern für Stuttgart 21 allerorten entgegen. Der Fahrgastverband sieht derweil wegen der Kostenexplosion Verschlechterungen auf die Bahn-Kunden zukommen.
Berlin/Ulm - Nach dem Aufsichtsratsbeschluss für den Weiterbau von Stuttgart 21 hat der Bund die Projektpartner aufgefordert, über die Aufteilung der Mehrkosten zu verhandeln. „Es ist immer gut, wenn man miteinander redet und nicht übereinander“, sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums am Mittwoch in Berlin. Er bekräftigte die Erwartung von Ressortchef Peter Ramsauer (CSU), dass sich neben der Bahn auch Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart an der Finanzierung zusätzlicher Projektkosten von zwei Milliarden Euro beteiligen. Die Gespräche müssten nun stattfinden, sagte der Sprecher. Wenn sich herausstelle, dass man auf diesem Weg nicht weiterkomme, müsse die Bahn notfalls klagen.
Der Bahn-Aufsichtsrat hatte am Dienstag trotz explodierender Kosten für den Weiterbau des Tiefbahnhofs gestimmt. Der Finanzrahmen wurde um 2 Milliarden Euro auf 6,5 Milliarden Euro angehoben. Konzernchef Rüdiger Grube kündigte Verhandlungen mit dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart über eine Aufteilung der Zusatzkosten an. Allerdings hatte Bahn-Technikvorstand Volker Kefer schon Mitte Februar vergeblich bei den Projektpartnern Land und Stadt Stuttgart angeklopft. Der Bund selbst hatte angekündigt, seinen Beitrag von insgesamt 1,2 Milliarden Euro nicht aufzustocken.
Warnungen allerorten
Der Steuerzahlerbund begrüßte die Haltung der Landesregierung, sich nicht an zusätzlichen Kosten für Stuttgart 21 zu beteiligen. „Bei der bisher zugesagten Finanzierungsbeteiligung handelt es sich um eine freiwilligen Beitrag des Landes. Das Projekt ist eigentlich Angelegenheit der Bahn beziehungsweise des Bundes“, hieß es dort.
Dagegen fordern Industrie und Handel die Landesregierung auf, ihre Blockade gegen Stuttgart 21 aufzugeben. Grün-Rot solle damit aufhören, ständig Haare in der Suppe zu suchen, sagte der Chef des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages Peter Kulitz der Nachrichtenagentur dpa. Das Bauprojekt müsse nun professionell durchgezogen werden. Dagegen warnte der Fahrgastverband Pro Bahn vor Verschlechterungen vor allem im Nahverkehr. „Es ist zu befürchten, dass der Konzern über erhöhte Stationspreise versucht, die Zusatzkosten hereinzuholen“, sagte Verbandssprecher Matthias Oomen der dpa. Auch der Verkehrsclub Deutschland will bei kommenden Fahrpreiserhöhungen der Bahn „keine Gelegenheit auslassen, die DB an das Milliardengrab Stuttgart 21 zu erinnern“.
Geißler spricht weiter über den Kombi-Bahnhof
Der Beschluss des Aufsichtsrates ist nach Auffassung des Fahrgastverbandes mit Blick auf den riesigen Investitionsstau im Schienennetz „absolut unverantwortlich“. Die Finanzlücke, allein um das Schienennetz bundesweit auf vernünftigen Stand zu bringen, bezifferte Sprecher Oomen auf derzeit 38 Milliarden Euro. Und jedes Jahr komme eine Milliarde Euro hinzu, so dass durch die Stuttgart-21-Mehrkosten zwei Jahre an notwendigen Ausgaben für das marode Netz aufgezehrt würden.
Der frühere S-21-Schlichter Heiner Geißler regte an, Alternativen noch einmal ernsthaft zu prüfen und brachte wieder seinen Kombi-Bahnhof ins Spiel. „Es ist nicht einzusehen, warum der Stuttgarter Bahnhof, der ja nicht größer ist als der Züricher Bahnhof, nicht ebenso als Kombibahnhof gebaut werden kann.“ Das könne zwei bis drei Jahre länger dauern, sei aber zwei Milliarden Euro billiger.
Von einer möglichen Klage der Bahn gegen Land und Stadt hält Wirtschaftsvertreter Kulitz wenig. Jetzt müssten alle an einem Strang ziehen. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und Finanzminister Nils Schmid (SPD) räumten einer Klage kaum Chancen ein. „Bahnhöfe zu bauen, ist eine Aufgabe der Deutschen Bahn oder des Bundes“, unterstrich Hermann. Schmid sagte dem Deutschlandfunk: „Die juristische Position der Bahn ist schwach.“ Die Bahn müsse sich fragen lassen, ob es sinnvoll sei, ein Bahnhofsprojekt vor den Kadi zu zerren, wenn man doch gemeinsam vorankommen will. „Bahnhöfe werden in Deutschland nicht in Gerichtssälen gebaut.“
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