Das Volk soll nun über Stuttgart 21 entscheiden. Die Landtagsopposition aber zweifelt das rechtliche Verfahren der Volksabstimmung an.  

Stuttgart - Peter Hauk ist oft unzufrieden mit der grün-roten Regierung. An einem Punkt ist es der Chef der CDU-Fraktion besonders: Die Regierung behaupte, ihr Pfad zur Volksabstimmung führe über verfassungsrechtliches Neuland; und doch gebe sie dem Parlament nur zwei Wochen Zeit zur Prüfung. Dabei gibt es viel zu prüfen, das juristische Geflecht ist komplex.

 

Im Zentrum steht das Kündigungsgesetz. Es soll die Landesregierung verpflichten, aus den Finanzierungsverträgen zu Stuttgart 21 auszusteigen. Das Gesetz soll im Landtag abgelehnt werden, dann können Abgeordnete die Volksabstimmung beantragen. Die ist vorsorglich schon mal auf den 27. November terminiert.

So etwas hat es in Baden-Württemberg noch nie gegeben. Das räumt der Justizminister des Landes, Rainer Stickelberger (SPD), ein. Man habe aber die rechtlichen Fragen abgeklopft und keine Bedenken. Das geht anderen anders.

Landtagsopposition zweifelt an Verfahren

Die Landtagsopposition zum Beispiel tut sich schwer mit dem Verfahren: Ein Gesetz bewusst scheitern zu lassen, um so den Weg zu einer Volksabstimmung zu eröffnen - ob das dem Geist der Verfassung entspricht? Möglicherweise wird diese Frage vor dem Staatsgerichtshof aufgeworfen, der sie dann zu beantworten hätte.

Da geht es also um hohe Verantwortung. Die tragen zunächst die Oppositionsfraktionen. Denn vor dem Staatsgerichtshof kann nicht Otto Normalverbraucher klagen, sondern nur ein "oberstes Landesorgan" oder ein Beteiligter, der "durch die Verfassung oder in der Geschäftsordnung des Landtags oder der Regierung mit eigener Zuständigkeit ausgestattet" ist.

Damit könnte auch eine Fraktion gemeint sein. Der Staatsgerichtshof prüft bei Eingang einer Klage aber zuerst, ob sie überhaupt zulässig ist. Da ist schon der erste Stolperstein. Und wogegen wird eigentlich geklagt? Das Staatsgerichtshofgesetz sieht etwa den Fall von "Zweifeln oder Meinungsverschiedenheiten über die Vereinbarkeit von Landesrecht mit der Verfassung" vor.

Doch wenn das Kündigungsgesetz wie geplant abgelehnt wird, gibt es noch gar keine neue Norm. Die würde erst - eventuell - mit der Volksabstimmung geschaffen. Eine andere Möglichkeit wäre den Staatsgerichtshof anzurufen "aus Anlass einer Streitigkeit über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Landesorgans". Missbraucht die Landesregierung ihre Position?

Juristen habe einige Fragen zu klären

Juristische Auslegung ist schon vor der Frage gefordert, ob das Volk überhaupt über die Beteiligung des Landes abstimmen kann. Skeptiker sagen, das sei unzulässig. Das Gesetz erlaube ein Referendum über den Etat nicht, die Finanzverpflichtung des Landes bei Stuttgart21 seien aber haushaltswirksam. Auch die Frage, ob das Land ein Kündigungsrecht geltend machen kann, das die Verträge gar nicht vorsehen, wäre nachgelagert.

Offen ist auch, ob eine Klage aufschiebende Wirkung hätte. Der Staatsgerichtshof kann, "wenn es zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grunde" dringend geboten ist, "einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln". Auch das erlaubt das Staatsgerichtshofgesetz. Für die Anordnung braucht es keine mündliche Verhandlung. Wird aber Widerspruch erhoben, "so ergeht die Entscheidung nach mündlicher Verhandlung durch Urteil".

Man sieht, dass auch die Richter viel Verantwortung tragen. Immerhin: das Gericht kann "einen wissenschaftlichen Mitarbeiter mit Vorarbeiten zum Votum und zum Entscheidungsentwurf beauftragen".Das zeigt, die nächsten Wochen werden spannend. Mehr denn je muss jedes Wort bedacht werden, das ausgesprochen wird. Womöglich liefert erst ein Redebeitrag im Landtag einen Klagegrund.