Die Bahn muss den Lärmschutz an der Stuttgart-21-Baustelle im Stuttgarter Norden massiv nachbessern und kann bis dahin nur gedrosselt weiter arbeiten. Helfen soll unter anderem ein Dach, fast so groß wie ein Fußballfeld.
Stuttgart - Auf ihren Baustellen für Stuttgart 21 am Wartberg und im Inneren Nordbahnhof hat die Bahn ein Problem mit dem Lärmschutz. Das geht aus einem nun vorgelegten Zwischengutachten des S-21-Immissionsschutzbeauftragten Peter Fritz hervor. Demnach muss die Bahn deutlich mehr Anrainern Lärmschutzfenster einbauen lassen als angenommen und gleichzeitig ihre Baustellen durch bauliche Lärmschutzmaßnahmen besser von der Umgebung abschirmen. Unter anderem wird sie dafür ein 6000 Quadratmeter großes Dach über einer ihrer Baustellen errichten. Erst Anfang Juli mussten die S-21-Macher einräumen, dass auch die Baustelle in der Innenstadt zu laut ist und der Lärmschutz nachgebessert werden müsse.
Bis in den benachbarten Wohn- und Mischgebieten die Lärmgrenzwerte eingehalten werden, kann die Bahn nur mit angezogener Handbremse arbeiten. Nachts darf kein Ausbruchmaterial aus dem Feuerbacher Tunnel mehr abgefahren werden. Es lagert bis zum Morgen in der Röhre. Ob und wenn ja wie drastisch sich das auf den Zeitplan auswirkt, will die Bahn nicht sagen. Florian Bitzer von der DB-Projektgesellschaft wählt eine Formulierung, die tief blicken lässt: „Wir passen den Baufortschritt den umgesetzten Lärmschutzmaßnahmen an.“ Am sogenannten Zwischenangriff Prag im Bereich des Wartbergs haben die Mineure einen Zugangsstollen zu den eigentlichen Tunnelröhren vorangetrieben. Von dort aus graben sie die beiden etwas mehr als drei Kilometer langen Röhren, die Feuerbach mit dem Hauptbahnhof verbinden sollen.
21,9 Dezibel zu laut
Für das aktuelle Gutachten haben sich die Fachleute die zentrale Baulogistikfläche und die dorthin führenden Straßen ebenso angesehen wie den Zwischenangriff Prag. Derzeit machen die Arbeiter auf der Logistikfläche um 20 Uhr Feierabend. Doch je mehr Tunnel im Bau sind und der Aushub für den Bahnhofstrog voranschreitet, desto mehr Lastwagen steuern die Fläche an und desto mehr Erdreich muss sortiert und auf Güterzüge verladen werden. Im nächtlichen Betrieb zwischen 20 und 7 Uhr gelten aber nochmals strengere Grenzwerte als tagsüber. Für 31 Stellen rund um die Bauflächen hat der Gutachter Prognosen abgegeben. Einsamer Spitzenreiter ist dabei das Gebäude Nordbahnhofstraße 161. Dort werden die Grenzwerte tagsüber um 10,4 Dezibel, nachts gar um 21,9 Dezibel überschritten. Eine Überschreitung um zehn Dezibel bedeutet eine Verdopplung des Lärms für die Betroffenen.
Für Ulrich Hangleiter vom Anwohnerzusammenschluss Netzwerk Killesberg kommen die Ergebnisse nicht überraschend: „Erste Vorwarnungen hat es ja schon im Technikausschuss des Gemeinderats gegeben.“ Die Bahn bemühe sich um Offenheit. „Aber es gibt einfach immer wieder Widersprüche“. Das Hin und Her sei fatal, viele fühlten sich an der Nase herumgeführt. Für sinnvoll erachtet Hangleiter vor allem die aktiven Schallschutzmaßnahmen direkt an der Baustelle.