Die Kritiker von Stuttgart 21 fühlen sich von den Grünen getäuscht. Wer eine kritische Stimme zum Umbau des Bahnknotens im Landtag haben wolle, müsse sein Kreuzchen bei den Linken machen. Zwei ehemalige Grüne gehen mit dem Ministerpräsidenten hart ins Gericht.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Eine Reihe von Stuttgart-21-Gegner ruft unter dem Motto „Bewegung in den Landtag“ dazu auf, beim Urnengang am 13. März für die Partei Die Linke zu  stimmen. Angeführt wird die Liste der Erstunterzeichner von den ehemaligen Grünen-Landtagsabgeordneten Rose Glaser (Freiburg) und Jürgen Rochlitz (Burgwald/Hessen). Beide haben schon vor Jahren der Partei den Rücken gekehrt.

 

Ex-SPD-Fraktionschef trommelt für die Linke

Es finden sich aber auch bekannte Namen aus Stuttgart bei den Unterstützern. So etwa Siegfried Bassler, einst Fraktionsvorsitzender der SPD im Stuttgarter Gemeinderat. „Auf der Liste findet sich fast die gesamte Intelligenzija der Region Stuttgart“, bescheinigt der 82-Jährige dem Aufruf, der auch seinen Namen trägt. Es sei Zeit, dass es auch im baden-württembergischen Landtag kritische Stimmen zu Stuttgart 21 gebe. Die Grünen jedenfalls würden diese Rolle nicht ausfüllen. „Die sind den Gegner gleichsam über Nacht abhandengekommen.“ Zwar habe Winfried Kretschmann noch im Wahlkampf versprochen, die Zahlungen des Landes für das Projekt einzustellen, wenn es die Grünen in die Landesregierung schafften, doch nach der Wahl habe er davon nichts mehr wissen wollen. „Ich habe Kretschmann gewählt und auch Fritz Kuhn zum OB. Beide zweimal – das erste und das letzte Mal“, sagt das Ex-SPD-Mitglied, über dessen Ausscheiden aus der Partei unterschiedliche Versionen kursieren. Er sieht sich nach 55 Jahren bei den Sozialdemokraten rausgeworfen – die Partei verweist auf Basslers Kandidatur bei der Gemeinderatswahl 2014 auf der Liste der Linken. Ein SPD-Mitglied, das für eine andere Gruppierung antritt, erkläre automatisch seinen Austritt.

Offener Brief an den Ministerpräsidenten

Rose Glasers Austritt aus den Grünen liegt noch länger zurück. „Irgendwann vor der rot-grünen Koalition“ auf Bundesebene sei das gewesen. Sie verspricht sich von der Linke, „eine Opposition im Landtag, die Sand im Getriebe ist, die die Landesregierung beschäftigt“. So habe sie es auch in ihrer Zeit im Landesparlament von 1988 bis 1992 gehalten. Dass ihre ehemalige Partei bei Stuttgart 21 nicht die Notbremse ziehe, sei „politisch feige“, das Vorgehen eines grünen Ministerpräsidenten nicht würdig. „Die Schulterklopfer und die guten Umfragewerte scheinen ihm die Sinne zu vernebeln.“ Dem dergestalt Orientierungslosen wollen Glaser und ihr ehemaliger Fraktionskollege Jürgen Rochlitz in einem offenen Brief den Weg weisen und vor der „Idiotie des Schrägbahnhofs“ bewahren.

Winfried Kretschmann müsse die Mit-Finanzierung durch das Land stoppen. Somit könne er „zum Vater einer zukunftsfähigen Bahnpolitik für den Südwesten werden“ und „als wirklich nachhaltig-souveräner Philosophen-Ministerpräsident in die Geschichte des Landes“ eingehen. Für einen Ausstieg sei es nicht zu spät. Die beiden Briefeschreiber erinnern an gescheiterte Großprojekte wie die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf und den Schnellen Brüter in Kalkar.