Der DB-Aufsichtsrat versucht sich durch ein weiteres Rechtsgutachten gegen Vorwürfe der Untreue abzusichern. Die S-21-Kritiker wollen kontern.
Stuttgart - Die Kritiker von Stuttgart 21 lassen nicht locker und bereiten weitere Strafanzeigen vor, falls das immer teurere Projekt trotz der erneuten Kostenexplosion weitergeführt wird. Man werde alle Aufsichtsräte der Deutschen Bahn wegen Verdachts der Untreue anzeigen, die bei der Sondersitzung am Freitag der beantragten nochmaligen Erhöhung des Finanzrahmens zustimmen, sagte der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S 21, Eisenhart von Loeper, unserer Zeitung.
Die 20 Aufsichtsräte des Staatskonzerns, darunter drei Staatssekretäre aus dem Finanz-, Wirtschafts- und Verkehrsministerium, wollen sich durch ein weiteres externes Rechtsgutachten vor Haftung und Strafverfolgung schützen. Die Expertise liegt nach Informationen unserer Zeitung den Kontrolleuren vor und beschreibt die Handlungsspielräume der Entscheider. Ein DB-Sprecher lehnte auf Anfrage eine Stellungnahme dazu ab. Zu internen Angelegenheiten des Aufsichtsrats äußere man sich grundsätzlich nicht. Auch Angaben zu den Kosten und der beauftragten Kanzlei verweigert der Konzern.
Strafanzeige mit 30 Anlagen
Bisher sind alle Ermittlungsverfahren gegen die DB-Spitze wegen Verdachts der Untreue eingestellt worden, zuletzt im Dezember von der Staatsanwaltschaft Berlin (Az 242 Js 258/17). Der Rechtsanwalt von Loeper und der frühere Richter Dieter Reicherter hatten Bahnchef Richard Lutz und seinem Vize Ronald Pofalla fortgesetzte gemeinschaftliche Untreue nach Paragraf 266 des Strafgesetzbuches vorgeworfen. Zuvor hatten die S-21-Kritiker vor einem Jahr bereits eine Strafanzeige mit 30 Anlagen gegen das frühere DB-Führungsduo Rüdiger Grube und Volker Kefer sowie den amtierenden Aufsichtsratschef Utz-Hellmuth Felcht erstattet.
Die Juristen argumentieren, dass die DB-Spitze mit dem S-21-Weiterbau dem Staatskonzern wissentlich schade und damit fortgesetzte Untreue begehe. Das Projekt werde trotz Mehrkosten, fehlender Wirtschaftlichkeit, kaum beherrschbarer Bau- und Betriebsrisiken sowie ungesicherter Finanzierung weitergeführt, obwohl es billigere, effizientere und weniger riskante Alternativen gebe.
Weitere Prüfungen durch Bundesrechnungshof?
Beide Verfahren wurden von der Staatsanwaltschaft Berlin verbunden und schließlich eingestellt. Im zweiseitigen Bescheid heißt es unter Bezug auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, der Tatbestand der Untreue sei „sehr restriktiv“ auszulegen und auf klare und deutliche Fälle pflichtwidrigen Handelns zu beschränken. Die Unternehmensführung habe einen weiten Ermessensspielraum auch beim Eingehen geschäftlicher Risiken. Ein unverantwortliches Handeln der DB-Spitze und eindeutige Fälle von Pflichtverletzungen zum Schaden des Konzerns seien „nicht belegt“. Dagegen hat Loeper Mitte Januar Beschwerde eingelegt. In der Begründung heißt es, ohne den Umstieg auf kostengünstigere Lösungen drohten der Bahn Schäden von mindestens vier Milliarden Euro.
Der Bundesrechnungshof hatte in einem unter Verschluss liegenden Gutachten im Herbst 2016 Gesamtkosten von am Ende fast zehn Milliarden Euro (inklusive Zins- und Grundstücksausgaben) berechnet, die letztlich von den Steuerzahlern zu tragen seien. Ein Sprecher schloss auf Anfrage nun nicht aus, dass weitere Prüfungen folgen: „Wir werden das Projekt natürlich im Auge behalten.“ Die erneute Kostensteigerung zeige, dass die Einschätzungen der Aufsichtsbehörde richtig gewesen seien. Die Frage, ob die Regierungsvertreter im DB-Aufsichtsrat die vertraulichen Handlungsempfehlungen befolgt haben, lässt der Rechnungshof offen und verweist auf die Verschwiegenheitspflicht.