Die Wissenschaftler, die die Stuttgart-21-Arbeiten begleiten, stoßen auf Probleme mit der Bahn. Mitunter reagiert die Bahn nach Angaben der Forscher gar nicht mehr, wenn sie darum bitten, Zugang zu Material oder weiter gehenden Informationen zu erhalten.

Stuttgart - Nach dem Aufsehen erregenden Fund eines Sandsteinkopfs im Mittleren Schlossgarten im November 2012 schien die Kooperation des S-21-Bauherrn Deutsche Bahn mit Andreas Lehmann vom Institut für Bodenkunde und Standortslehre an der Universität Hohenheim auf einem guten Gleis. Die Wissenschaftler wollen während der Aushubarbeiten für den Tiefbahnhof untersuchen, wie die Böden im Zentrum Stuttgarts geschichtet sind, und erhoffen sich davon interessante Erkenntnisse – nicht nur in ihrem Fachbereich, sondern auch zur Stadtgeschichte: So lassen sich beispielsweise Überschwemmungen datieren, deren Ausmaß feststellen und ihr Einfluss auf die Entwicklung der Siedlung am Nesenbach gewinnen. „Das ist eine historische Chance“, sagt Lehmann, „das ist wie ein Zeitfenster mit Blick auf die Entwicklung Stuttgarts.“

 

Dieser Blick ist mittlerweile – im übertragenen Sinn – etwas getrübt. Nach einer „guten und offenen Zusammenarbeit“ mit der Bahn und dem Landesamt für Denkmalpflege, wie Lehmann ausdrücklich lobend betont, stoße er inzwischen auf Schwierigkeiten, sagt er. Mitunter reagiere die Bahn gar nicht mehr, wenn er darum bitte, Zugang zu Material oder weiter gehende Informationen zu erhalten. Zuletzt konnte der Wissenschaftler zwar gelagerte Bohrkerne besichtigen, er bekam aber keine weiteren Unterlagen und keine Zusage für eine grundlegende Analyse.

Diese Entwicklung hat nun auch die stellvertretende Landtagspräsidentin und Stuttgarter Abgeordnete der Grünen, Brigitte Lösch, auf den Plan gerufen. In Briefen an Manfred Leger, den Geschäftsführer der Bahnprojektgesellschaft Stuttgart–Ulm, und an das Landesamt für Denkmalpflege, die der Stuttgarter Zeitung vorliegen, macht sie sich dafür stark, dass wie an der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm auch an der S-21-Baustelle im Schlossgarten eine „externe Fachbaubegleitung mit bodenkundlichem und archäologischem Sachverstand“ eingesetzt wird. „Das wäre sicherlich auch förderlich für eine verbesserte Akzeptanz und öffentliche Wahrnehmung von Stuttgart 21“, wirbt Lösch für ihren mit Lehmann abgestimmten Vorstoß. Allerdings weiß auch die Abgeordnete, dass die Bahn dazu nicht verpflichtet ist. Im Planfeststellungsbeschluss ist eine archäologische Begleitung entgegen sonst üblicher Regelungen bei Großbaustellen nicht vorgesehen. Grundlage dafür war, dass mit Böden gerechnet wurde, deren Zusammensetzung wenig Aussagekraft besitze – was laut Lehmann nicht zutrifft: Die sogenannten Auenböden seien boden- und landschaftskundlich sehr interessant.

Lehmann: Da liegt Potenzial drin

Auch wenn das Landesdenkmalamt eine Begleitung ablehnt und sich darauf beruft, dass Zufallsfunde ohnehin gemeldet werden müssten, erwartet Lehmann weitere bedeutsame Funde, die für die Stadtgeschichte interessant sein könnten. Dies haben der Sandsteinkopf, aber auch ein im Oktober 2013 entdeckter, 40 Meter langer Wasserkanal bewiesen. Das sieht auch Lösch so. Weitere archäologische Funde wären von hoher kulturgeschichtlicher Bedeutung, sagt sie: „Einzigartig ist dabei das mit den besagten Böden nachvollziehbare Wechselspiel von Landschaftsbildung und der zivilisatorischen Entwicklung Stuttgarts.“ Auch Lehmann schließt nicht aus, dass man Informationen erhält aus Zeiten, für die keine schriftliche Belege vorliegen. „Da liegt Potenzial drin“, sagt Lehmann, bei dem sich eine Studentin gemeldet hat, die sich des Themas für eine wissenschaftliche Arbeit annehmen will. Eigentlich müsse die Bahn diese Chance nur wahrnehmen und Ja sagen, stattdessen erhalte er von dort auf Anfragen „seltsame und unverständliche Reaktionen“, klagt Lehmann.

Das S-21-Kommunikationsbüro hat ein StZ-Anfrage bis Montagabend nicht beantwortet. Früher hatte die Bahn betont, sie unterstütze auf freiwilliger Basis die Arbeit Lehmanns.