Der Stopp der intensiven Überwachung des Grundwassers und eine Probe mit stark erhöhten Werten sorgen für Diskussionen zwischen dem städtischen Amt für Umweltschutz und der Deutschen Bahn.

Stuttgart - Offiziell geht alles seinen normalen Gang beim Grundwassermanagement von Stuttgart 21 – das jedenfalls ist der Eindruck, den die Bauherrin Bahn in der vergangenen Woche bei einer Besichtigung vermitteln wollte. Und in der Tat: das System der blauen Rohre in der Innenstadt wird normal betrieben und überwacht, nachdem das intensive Monitoring Mitte Oktober endete und vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) nicht verlängert worden war. Doch hinter den Kulissen gibt es Ärger.

 

Ein internes Schreiben, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt, belegt, dass die Experten der Stadt weiterhin eine intensivere Überwachung für richtig halten. Das städtische Amt für Umweltschutz widerspricht der Einschätzung der Bahn, dass die Analysen belegten, die Einleitkriterien würden dauerhaft eingehalten. „Diese Auffassung wird fachlich nicht geteilt“, heißt es. Auch die S-21-kritischen Ingenieure 22 halten – mit Bezug auf offizielle Messprotokolle, die ihnen vorliegen – die von der Bahn verantwortete Überwachung für untauglich.

„Ingenieure 22“ kritisieren den angeblich hohen Rostgehalt

Von Mitte August bis Mitte Oktober war das Wasser in den blauen Rohren intensiver untersucht worden. Mit dem System soll der Grundwasserspiegel während der S-21-Arbeiten stabil gehalten werden, indem Wasser abgepumpt, gereinigt und wieder in den Untergrund gepumpt wird. Das sogenannte Monitoring war vom EBA angeordnet worden, weil Messungen der Ingenieure 22 und der Austritt von rostbraun verfärbtem Wasser aus einem blauen Rohr nach einem Unfall im vergangenen Jahr Zweifel genährt hatten, ob das Wasser, das in den Untergrund zurückgepumpt wird, die Grenzwerte einhält.

Für die Ingenieure 22 enthält es zu viele Rostpartikel, weil die Stahlrohre im Innern korrodieren. Sie haben die Bahn, die von ihr beauftragten Unternehmen, das EBA und die Stadt im Herbst 2014 angezeigt, fortgesetzt gegen Umweltschutzgesetze zu verstoßen. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft prüft aber noch immer, ob Ermittlungen aufgenommen werden. In einigen Wochen werde es ein Ergebnis geben, sagte jetzt die Behördensprecherin.

Laut EBA wurden Grenzwerte „im Ergebnis“ eingehalten

„Im Ergebnis wurden die Einleitwerte für abfiltrierbare und absetzbare Stoffe eingehalten“, begründet eine Sprecherin des Eisenbahn-Bundesamts die Rückkehr zum normalen Prozedere. Der Brief legt aber die Vermutung nahe, dass das städtische Amt für Umweltschutz, das das EBA in Fragen des Wasserschutzes berät, aber keine Entscheidungsbefugnisse hat, und die Bahn die Situation offenbar unterschiedlich einschätzen. Anlass für das Schreiben des städtischen Experten waren zwei Probeentnahmen von Anfang Oktober 2014 – also noch während der Zeit des intensiven Monitorings. Dabei waren an zwei Brunnen mit 570 und 542 Milligramm pro Liter extrem hohe Werte für abfiltrierbare Stoffe festgestellt worden; der laut Planfeststellung erlaubte Grenzwert für ungelöste Stoffe – also feine Teilchen wie Rost oder anderes – liegt bei 20 Milligramm. Die Ingenieure 22 hatten in von ihnen entnommenen Wasserproben ebenfalls erhöhte Werte von maximal etwa 130 Milligramm analysiert. Diese Ergebnisse waren von Bahn, EBA und der Stadt immer scharf zurückgewiesen worden.

Die Anfang Oktober auch vom Bahn-Prüflabor ermittelten stark erhöhten Gehalte waren in einem ersten Prüfbericht an das Amt für Umweltschutz enthalten, in einer zweiten Version waren die Brunnen – und damit auch die hohen Werte – nicht mehr aufgeführt. Die Bahn, in deren Auftrag das Prüflabor tätig wird, erklärte diesen Vorgang damit, dass erst nach Übermittlung des ersten Prüfberichts durch einen externen Hinweis bemerkt worden sei, dass die hohen Werte unplausibel sein müssten, da die Proben keine „optischen Auffälligkeiten“, also keine Trübung, gehabt hätten. Normalerweise wird dann nochmals in einer zum gleichen Zeitpunkt erfolgten Kontrollprobe gemessen – doch diese war nicht mehr vorhanden. Der städtische Experte kommentiert den Vorgang mit den Worten: „unüblich“, „ungewöhnlich“, „fachmethodischer Mangel“. Das Streichen von Analyseergebnissen aus Prüfberichten „ist keinesfalls zulässig“.

Bahn: Bei keiner der 320 Analysen gab es Auffälligkeiten

So harsch er das Verfahren bewertet, so eindeutig ist seine Bewertung der Werte: Wie das EBA sei er der Ansicht, dass es sich um Fehlmessungen handle, sie müssten bei der Beurteilung des zweimonatigen Monitorings nicht berücksichtigt werden.

Vor diesem Hintergrund kam die Bahn im Oktober zu der Einschätzung, dass „an keiner der 320 durchgeführten Parameteranalysen Überschreitungen der Einleitgrenzwerte festgestellt“ worden seien. Die Analysen belegten, dass „beim Betrieb des Grundwassermanagements die Einleitkriterien dauerhaft eingehalten“ worden seien. Wohl aufgrund dieser Angaben beendete das EBA die intensivere Überwachung.

Laut Stadt ist die Zahl der belastbaren Befunde zu gering

Diesem pauschalen Freibrief, den sich die Bahn ausstellte, widersprach aber die Stadt. Die 320 Analysen könnten „nicht ohne Einschränkung“ gewertet werden, da für abfiltierbare Stoffe nur neun Analyseergebnisse vorlägen. „Mit einer derartig geringen Anzahl belastbarer Befunde lassen sich keine hinreichend abgesicherten Langzeitprognosen zur ortsspezifischen Einhaltung der Einleitgrenzwerte geben“, befindet der Experte der Stadt. Er zieht daraus den Schluss: „Insofern wird die Auffassung der Vorhabenträgern (die Bahn, d. Red.) – die Analysen würden belegen, dass die Einleitkriterien dauerhaft eingehalten würden – fachlich nicht geteilt“.

Noch weiter gehen die Ingenieure 22: Wegen „vielfältiger förmlicher und sachlicher Fehler und Mängel“ sei die bisherige Überwachung „untauglich als Nachweis für die Unbedenklichkeit des Infiltrationswassers in den Untergrund“, sagte ihr Experte Hans Heydemann. Sie werfen der Bahn zudem vor, zu akzeptieren, dass Prüfergebnisse abgeändert und verfälscht würden.