Erneut sind Archäologen in den Baugruben für Stuttgart 21 im Mittleren Schlossgarten fündig geworden. Unter anderem stießen sie auch auf drei mindestens 4000 Jahre alte Skelette.

Stuttgart - Die Baustelle von Stuttgart 21 am Hauptbahnhof entwickelt sich verstärkt zu einem reichen archäologischen Fundort. In den vergangenen Tagen haben die Archäologen in den Baugruben für den Abwasserkanal an der Cannstatter Straße erneut bedeutende Funde aus römischer und germanischer Zeit gemacht. Daneben entdeckten die Mitarbeiter des Landesamtes für Denkmalpflege erstmals auch Funde aus neolithischer Zeit.

 

Erster eiszeitlicher Fund in der Innenstadt?

Diese drei Gräber mit Skeletten könnten aus der Zeit zwischen 5500 und 2000 vor Christus stammen und damit aus der Endphase der Jungsteinzeit. Archäologe Andreas Thiel schließt dies daraus, dass die Toten mit angezogenen Beinen bestattet worden sind, was typisch für diese Epoche war. Experten in Konstanz müssen diese Vermutung aber erst noch bestätigen. Für die Stuttgarter Innenstadt wäre dies der erste steinzeitliche Fund, sodass er für die Stadtgeschichte von Bedeutung wäre. Die Skelette sind zwischen der Schillerstraße und dem Trog des neuen Tiefbahnhofes (Baufeld 16) entdeckt worden. Dort wird derzeit an der Verlegung des Abwasserkanales gearbeitet.

Seltsam ist laut Thiel der Fundort insofern, als der Boden auch schon zur Zeit der Bestattung feucht gewesen sein musste – ganz in der Nähe floss der Nesenbach vorbei, die Talaue war teilweise sehr sumpfig. „Eigentlich war dieser Ort nicht gerade günstig für eine Siedlung“, so Thiel.

Nicht die ersten Funde in der S-21-Grube

Trotzdem haben später auch Römer und Germanen hier gesiedelt. Schon im vergangenen Herbst hatten die Archäologen Reste eines römischen Hofes mit Brennöfen entdeckt; etwa um 100 nach Christus haben Menschen dort Ziegel hergestellt. Etwa 200 Jahre später lebten Germanen an dieser Stelle; es ließen sich die Pfostenlöcher von zwei Häusern nachweisen.

Rund acht Wochen lang waren 2014 die Bauarbeiten an Stuttgart 21 im Baufeld 16 unterbrochen gewesen. Seither stuft das Denkmalamt den Fundort als so wichtig ein, dass bei Erdarbeiten stets ein Archäologe dabei ist, um eingreifen zu können. Siedlungen aus der Zeit der alamannischen Landnahme im 3. und 4. Jahrhundert seien in Baden-Württemberg „außerordentlich selten und von überregionaler wissenschaftlicher Bedeutung“, so die Archäologen. Jetzt sind nördlich des Baufelds 16, wo ein zweiter Angriffspunkt für den Abwasserkanal geschaffen worden ist (nahe des Biergartens im Schlossgarten), weitere Gegenstände aus römischer und germanischer Zeit ausgegraben worden, darunter eine Gewandschließe aus Bronze, Keramikscheiben und Holzreste. Archäologe Thiel betont aber, dass man trotz der weiten zeitlichen Spanne der Funde nicht von einer kontinuierlichen Besiedlung des Nesenbachtales ausgehen könne: „Menschen haben wohl nur sporadisch hier gelebt.“

Warten auf das Öffnen weiterer Baufelder

Trotzdem werden in den künftigen Baufeldern des Areals weitere Funde erwartet, insbesondere in den Baufeldern 15 und 18. Die Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn sei gut, betont auch Nadine Hilber, die Sprecherin des Regierungspräsidiums Stuttgart in diesem Zusammenhang.

Nach Angaben eines Sprechers des S-21-Kommunikationsbüros hätten die Funde und ihre Bergung keinen Einfluss auf den Fortgang der Arbeiten am Durchgangsbahnhof gehabt. An den Fundstellen habe die Grube ihre endgültige Tiefe noch nicht erreicht. An dieser Stelle wird weiter ausgebaggert, sodass der Stuttgarter Untergrund möglicherweise weitere Zeugen aus lang vergangenen Zeiten freigibt.