Die Gegner des umstrittenen Bahnprojekts Stuttgart 21 widersprechen der Ansicht der Bahn, es gebe die „höchstrichterliche Bestätigung“ dafür, dass die sogenannte Mischfinanzierung des Projekts in Ordnung sei. Anlass dazu ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.

Stuttgart - Dem Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 geht die Interpretation eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts durch die Bahn zu weit. Es spricht sogar von einem „Täuschungsmanöver“. Das Bundesverwaltungsgericht hatte wie berichtet die Beschwerde eines Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zurückgewiesen, in dem zwei zentrale Planfeststellungsbeschlüsse für gültig erklärt wurden. Damit sei „die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zur Rechtmäßigkeit der Planfeststellungsbeschlüsse höchstrichterlich“ bestätigt worden, erklärte daraufhin die Bahn. Mit dieser Aussage versuche die Bahn, die „Öffentlichkeit in die Irre“ zu führen, entgegnet das Aktionsbündnis.

 

Ausgangspunkt ist der Rechtsstreit um den Abriss eines Gebäudes in der Sängerstraße am Wagenburgtunnel. Ein Eigentümer, der von der Bahn entschädigt wurde, hatte dagegen geklagt und verlangt wegen der Probleme mit der Finanzierung des Projekts und der Leistungsfähigkeit des neuen Tiefbahnhofs die Planfeststellungsbeschlüsse aufzuheben. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte dies aber mit Hinweis auf die Rechtskraft einer 2006 ergangenen Entscheidung ab und ließ keine Revision gegen dieses Urteil zu. Dagegen hatte der Kläger Beschwerde eingelegt, die nun zurückgewiesen wurde.

Die Mischfinanzierung ist der juristische Streitpunkt

„Das Bundesverwaltungsgericht hat es abgelehnt, dieses Urteil, das wir inhaltlich für falsch halten, auf Rechtsfehler umfassend zu prüfen und es bestätigt“, sagt Bernhard Ludwig, Rechtsanwalt und Prozessvertreter des klagenden Wohneigentümers. Dies als „höchstrichterliche Bestätigung“ zu werten, wie die Bahn es tut, hält Ludwig aber für irreführend, zumal die „zentrale Frage, ob die Finanzierung von Stuttgart 21 gegen das Grundgesetz verstößt, durch das Bundesverwaltungsgericht noch umfassend geklärt wird“.

Damit spielt Ludwig auf ein Verfahren an, an dem er selbst als Kläger beteiligt ist. In dieser Klage geht es um die Mischfinanzierung des Projekts Stuttgart 21, also den Umstand, dass sich auch die Stadt an den Kosten beteiligt. Dies halten die Kläger, die deshalb einen – von der Stadt Stuttgart abgelehnten – Bürgerentscheid und den Ausstieg aus dem Projekt fordern, für unvereinbar mit dem Grundgesetz. Die Verfassung sehe bei Aufgaben und deren Finanzierung eine klare Trennung zwischen Bund und anderen Ebenen vor. Sonst, so die Kläger, könnten reiche Länder oder Städte vom Bund zu finanzierende Infrastrukturprojekte mit eigenen Zuschüssen sozusagen „einkaufen“.

Klage in den ersten beiden Instanzen abgewiesen

Dieser Argumentation folgten die ersten beiden Instanzen, das Verwaltungsgericht Stuttgart und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, aber nicht. Stattdessen bestätigten beide die ablehnende Haltung der Stadt zu diesem Bürgerbegehren. Das Grundgesetz sehe zwar eine Trennung vor, es verbiete aber nicht, dass Bund, Länder und Gemeinden bei der Wahrnehmung jeweils eigener Aufgaben zusammenarbeiteten, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Die finanzielle Beteiligung der Stadt an Stuttgart 21 sei aufgrund ihrer kommunalen Zuständigkeit für die städtebauliche Entwicklung gerechtfertigt.

Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof die Revision zugelassen, was die Kläger auch in Anspruch nehmen. Insofern stehe – entgegen dem Eindruck, den die Bahn verbreite – die letzte höchstrichterliche Beurteilung noch aus, sagt Ludwig: „Die zentrale Frage der Mischfinanzierung wird noch durch das Bundesverwaltungsgericht geklärt werden. Und solange steht das Projekt Stuttgart 21 auf tönernen Füßen.“