Die Deutsche Bahn weigert sich nach Informationen der Stuttgarter Zeitung, Auflagen des Eisenbahn-Bundesamts für das S-21-Grundwassermanagement nachzukommen. Wie das Verfahren endet, ist momentan offen.

Stuttgart - Vor fast einem halben Jahr flatterte dem Bauherrn von Stuttgart 21 eine Anordnung des Eisenbahn-Bundesamts (Eba) ins Haus – jener Behörde also, die die Arbeiten für das Großprojekt genehmigt und darüber zu wachen hat, dass die in der Genehmigung gemachten Auflagen eingehalten werden. In dem Papier verlangt das Eba von der Bahn, das Grundwassermanagement von Stuttgart 21 genauer zu überprüfen, als in der Genehmigung vorgesehen. Doch dieses Monitoring wird bisher nicht umgesetzt. Die Bahn wehrt sich gegen die Auflagen. Sprecher der S-21-Projektgesellschaft und des Eba bestätigen den Vorgang, nennen aber keine Details.

 

In einer schriftlichen Stellungnahme räumt die Bahn ein, dass es „in der Angelegenheit“ einen Bescheid des EisenbahnBundesamts gebe, der von ihr angefochten werde. „Zu den Gründen, die zum Einlegen des Widerspruchs geführt haben, will sich die Projektgesellschaft öffentlich nicht äußern“, heißt es in der Erklärung.

Seine Behörde habe im Mai ein weiteres Grundwassermonitoring angeordnet, „um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden“, erklärt ein Eba-Sprecher. Über den Widerspruch der Bahn sei noch nicht entschieden. „Eine zeitliche Prognose“, wann dies geschehe, sei derzeit leider nicht möglich, sagt der Eba-Sprecher. Von August bis Mitte Oktober 2014 hatte das Eba bereits einmal das Monitoring angeordnet. Damals sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass „die Einleitgrenzwerte für abfiltrierbare Stoffe bei den Proben nicht überschritten wurden“. Die Behörde begründet die Anordnung des neuen Monitorings damit, dass sich damals auch gezeigt habe, dass „es innerhalb des Rohrleitungssystems nach dem Durchlaufen der Wasseraufbereitungsanlage zu Bildung und Mobilisierung von Feststoffen kommt und die Gehalte nicht konstant sind“. Mithin: die Behörde kann sich manches nicht erklären und will es genauer wissen.

Aufgekommen ist der ungewöhnliche Vorgang durch einen Schriftwechsel der S-21-kritischen Gruppe Ingenieure 22 mit dem Eba und dem Amt für Umweltschutz der Stadt Stuttgart, das die Behörde in Fragen des Wasserschutzes fachlich berät, aber keine Entscheidungsbefugnis hat.

Anlass für die Nachfragen der Ingenieure 22 war, dass an einem der grauen Kästen, in denen die oberirdisch verlaufenden blauen Rohre in die unterirdischen Infiltrationsbrunnen führen, Wasser mit starkem Rostgehalt ausgetreten war . In den Brunnen, insgesamt sind es 55, die aber nicht alle immer in Betrieb sind, wird das in den S-21-Baugruben anfallende Grundwasser nach einer Reinigungsprozedur in den Untergrund geleitet. So soll verhindert werden, dass der Grundwasserspiegel sinkt. Dieses System nennen die Experten Grundwassermanagement.

Für die Ingenieure 22 beweist der wiederholte Austritt von Rostwasser, dass die für das Grundwassermanagement verwendeten Stahlrohre innen rosten. Es müssten mit Polyethylen beschichtete Rohre verwendet werden. Die S-21-Kritiker hatten die Behörden, die Bahn und das Unternehmen deshalb wegen des Verdachts von Umweltstraftaten angezeigt, weil das mit Rost belastete Wasser das Grund- und Mineralwasser verunreinigen könne. Die Staatsanwaltschaft sieht aber keinen Anfangsverdacht . Die Bahn hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Das Grundwassermanagement funktioniere wie geplant, sei sicher und werde ständig von Experten ausreichend überwacht.

Schon einmal wurde eine genauere Prüfung angeordnet

Die – von Experten der Stadt und der Bahn als unbedenklich eingestufte – Rostbelastung war im vergangenen Jahr durch Messungen der Ingenieure 22 aufgedeckt worden. Im Juli war sie offen zu Tage getreten, als bei einem Unfall in der Jägerstraße eines der Rohre brach und sich bräunlich gefärbte Flüssigkeit über die Straße ergoss. Dieser Zwischenfall führte dazu, dass das Eisenbahn-Bundesamt Anfang August 2014 für sechs Wochen ein intensiveres Monitoring anordnete. Damit sollten mehr und genauere Messdaten über die Qualität des zurückgepumpten Wassers ermittelt werden als in der normalen, im Planfeststellungsbeschluss geforderten Überwachung. Mitte Oktober 2014 lief dieses Monitoring aus. Dabei sei festgestellt worden, dass der Grenzwerte von 20 Milligramm pro Liter für abfiltrier- und absetzbare Stoffe eingehalten worden sei, erklärte das Eba Mitte Dezember.

Die Bahn schloss aus den Ergebnissen, dass beim Betrieb des Grundwassermanagements „die Einleitkriterien dauerhaft eingehalten“ würden. Just diese Aussage rief beim städtischen Amt für Umweltschutz allerdings Widerspruch hervor. „Diese Auffassung der Vorhabenträgerin wird nicht geteilt“, stellte der städtische Experte einem internen Schreiben an das Eisenbahn-Bundesamt fest, über das die Stuttgarter Zeitung im Februar diesen Jahres exklusiv berichtet hatte. Die geringe Anzahl belastbarer Proben lasse „keine hinreichend abgesicherte Langzeitprognose zur ortsspezifischen Einhaltung der Einleitungsgrenzwerte“ zu, hieß es darin.

Das Amt empfahl, das Monitoring nochmals um neun Monate zu verlängern. „Dann hätte man insgesamt fast ein Jahr überwacht und damit über einen überschaubaren Zeitraum ein Spektrum, das eine fachlich verlässliche Analyse der Proben möglich macht“, hieß es Anfang des Jahres 2015 in einer Stellungnahme der Stadt. Dies anzuordnen liege aber allein in der Befugnis des Eisenbahn-Bundesamts. Die Behörde tat dies schließlich am 20. Mai diesen Jahres.

Wann das Monitoring auf der Baustelle umgesetzt wird, ist aber auch heute – fast ein halbes Jahr später – noch offen.

Unterschiedliche Einschätzung des Wasseraustritts

Nach Angaben der Ingenieure 22 ist Mitte September am Infiltrationsbrunnen in der Ehmannstraße aus dem Armaturenkasten über vier Tage Wasser ausgetreten. Fotos zeigen, wie sich auf dem Asphalt ein Flecken mit abgelagertem Rost bildet. Dies beweise, so Hans Heydemann von den Ingenieuren 22, dass weiterhin mit Rost belastetes Wasser in den Untergrund des Heilquellenschutzgebietes geleitet werde. Mittlerweile gebe vier derartige Vorfälle, in denen es in den Armaturenkästen zu Wasseraustritten gekommen sei.

Das Amt für Umweltschutz der Stadt Stuttgart bestätigt in einem Schreiben an die Ingenieure 22 den Vorfall, wertet ihn aber völlig anders. Es handle sich um einen „technischen Störfall ohne Umweltrelevanz“ mit „kleinflächigen Rostablagerungen“ in ansonsten klarem Wasser. Da der Brunnen längere Zeit nicht betrieben worden sei, habe man es mit „Standwasser“ zu tun, dessen Zusammensetzung nicht aussagekräftig sei. Ursache des Wasseraustritts sei ein Materialbruch im Schaltkasten des Infiltrationsbrunnens gewesen.

In dem Schreiben bestätigt das Amt, dass die Leitungen der Brunnen vor Inbetriebnahme gespült würden, damit das „Standwasser“ nicht in den Untergrund geleitet werde. Dies war bisher von der Bahn bestritten worden. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, dass die Ingenieure 22 hohe Belastungen mit Rost gemessen hatten, während die offiziellen Messwerte geringer ausfallen – das Wasser wird einmal aus nicht gespülten, das andere Mal aus gespülten Leitungen entnommen. Insgesamt gibt es 55 Infiltrationsbrunnen.

Staatsanwalt eröffnet kein Ermittlungsverfahren

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat kein Ermittlungsverfahren wegen Gewässerverunreinigung gegen die Bahn, beteiligte Firmen und Behörden eingeleitet. Eine Beschwerde dagegen hat der Generalstaatsanwaltschaft abgelehnt. Es gebe keinen Anfangsverdacht für eine Straftat gegen die Umwelt, begründen die Staatsanwälte. Eisen sei kein grundwasserunverträglicher Stoff, die Vorgaben der Genehmigungen seien beachtet. Das gelte auch für den Einsatz der blauen Stahlrohre. Die Messungen belegten,dass die Grenzwerte eingehalten würden. Die Ingenieure 22 werfen der Staatsanwaltschaft vor, sich auf die Aussagen Beteiligter zu berufen und keine eigenen Nachforschungen anzustellen.