Die ersten großen Aufträge für den Bau des Bahnprojekts am Airport sollen erst Anfang 2018 vergeben werden. Diese Verzögerungen sind ein großes Problem für den Zeitplan von Stuttgart 21.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Auch ein Jahr, nachdem die Bahn die Baugenehmigung für einen Stuttgart-21-Abschnitt am Flughafen erhalten hat, haben die Arbeiten dort bis heute noch keine Fahrt aufgenommen. Neben dem Verzug im Talkessel beim Bau des eigentlichen Bahnhofstroges stellen diese Verzögerungen die größten Gefahren für den Zeitplan des Projekts dar. Immer deutlicher tritt zu Tage, dass der bisher anvisierte Inbetriebnahmetermin im Jahr 2021 kaum mehr zu halten ist. Die für die Umsetzung des Milliardenprojekts zuständige Projektgesellschaft mag aber von den zeitlichen Vorgaben nicht abrücken. Bei der Flughafengesellschaft Stuttgart (FSG), die die Umgestaltung des Stuttgarter Bahnknotens mit insgesamt 359 Millionen Euro mitfinanziert, ist das Bedauern über die Verzögerung groß, „da wir nach wie vor schnellstmöglich einen Bahnanschluss wollen“, teilt der Manfred-Rommel-Flughafen auf Anfrage mit.

 

Bisher zwei Leitungen aus dem Baufeld verlegt

Am 14. Juli 2016 verkündete die Bahn-Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm (PSU), das Eisenbahn-Bundesamt habe die Pläne für die Neubaustrecke längs der Autobahn und für die Station unter der Messepiazza genehmigt. PSU-Chef Manfred Leger ergänzte, er freue sich, „das wir nun bald mit dem Bauen beginnen können“. Ein Jahr später fällt die Bilanz allerdings mager aus. Lediglich eine Strom- und eine Gasleitung, die dem Bahnbau im Weg sind, werden aktuell verlegt. Dies werde „voraussichtlich Ende September abgeschlossen sein“, erklärt Projektsprecher Jörg Hamann.

Vor Frühjahr 2018 wird es keinen weiteren Fortschritt geben. Denn die entsprechenden Arbeiten sind noch gar nicht vergeben. Stattdessen soll der Auftrag nun zweigeteilt werden. In einem ersten Schritt will die Bahn Interessenten auffordern, Angebote für den vergleichsweise kurzen Abschnitt der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen der Autobahnanschlussstelle Plieningen und der Gemarkungsgrenze zu Ostfildern (Kreis Esslingen) abzugeben. Die Vergabe plant die PSU für Anfang 2018. „Baubeginn soll im Frühjahr 2018 sein, die Fertigstellung soll Ende 2020 erfolgen“, erklärt Hamann. Ausgeklammert bleiben damit der Streckenabschnitt vom Portal des Fildertunnels kommend, die Zweigstrecke zum Flughafen sowie die dort geplante Station unter der Messepiazza in 27 Metern Tiefe. Ihre Zögerlichkeit begründet die Bahn mit bei Gericht anhängigen Klagen gegen die Baugenehmigung,

Juristische Auseinandersetzung

Unter anderem die Schutzgemeinschaft Filder war gegen den Erlass des Eisenbahn-Bundesamts (Eba) juristisch vorgegangen. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg stoppte daraufhin im Winter vorübergehend die Rodungsarbeiten rund um den Flughafen, hob diesen Beschluss aber Mitte Februar wieder auf. In der Sache ist noch nicht entschieden. Nach Angaben eines VGH-Sprechers ist ein Termin noch nicht festgesetzt. Die Bahn möchte aber zumindest das Urteil des höchsten baden-württembergischen Verwaltungsgerichts abwarten, ehe sie vertragliche Verpflichtungen eingeht. „In Verantwortung für die Kosten des Gemeinschaftsprojekts und aus Vorsichtsgründen“, habe man sich so entschieden, erklärt Jörg Hamann. Im Übrigen sei das kein ungewöhnliches Vorgehen betont der Projektsprecher. „Fast alle Planfeststellungsbeschlüsse wurden gerichtlich angefochten“ und die Bahn habe dann „in aller Regel die Bestandskraft abgewartet“. Will sagen: Ehe die Baugenehmigung juristisch nicht abgeklopft war, rollten nirgendwo die Bagger an.

Was den Bahnjuristen Kopfzerbrechen bereitet, ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig in anderer Sache, auf das sich die Kläger berufen und das erst nach Erteilen der Baugenehmigung am Flughafen gefällt worden ist. Für den ohnehin aus den Fugen geratenen Zeitplan bei S 21 wäre ein ausufernder Rechtsstreit aber Gift. „Die Bahn benötigt Rechtssicherheit – schnellstmöglich“, so Hamann.

Region und Flughafen fürchten Auswirkungen des Baus

Erst am Beginn des Genehmigungsverfahrens steht hingegen die Führung der Gäubahnzüge aus dem Südwesten des Landes via Flughafen zum Tiefbahnhof. Weil sich gesetzliche Vorgaben geändert haben, können Betroffene länger die Pläne unter die Lupe nehmen als ursprünglich gedacht. Statt am 1. August endet die sogenannte Äußerungsfrist, binnen derer Bürger die Pläne kommentieren können erst am 15. September. Zuletzt hatte der Verband Region Stuttgart die Bahn ermahnt, die Auswirkungen des geplanten Ausbaus auf den S-Bahnbetrieb zum und vom Flughafen so gering wie möglich zu halten.

Die Hängepartie erschwert auch die Entwicklung des Airports selbst. Walter Schoefer, Sprecher der Geschäftsführung der Flughafengesellschaft Stuttgart, hatte jüngst mit Blick auf den Bau eines neuen Terminal 4 auf die Unwägbarkeiten verwiesen, die sich aus den Bauaktivitäten der Bahn in unmittelbarer Umgebung der Abfertigungsgebäude ergeben. So müsste etwa für die Erweiterung der S-Bahnstation um ein drittes Gleis eine Baugrube ausgehoben werden, die 460 Meter lang, 15 Meter tief und 13 Meter breit sei.

Nicht zuletzt um sich ein Bild von den beengten Gegebenheit vor Ort zu machen, schaut nach Informationen der Stuttgarter Zeitung kommende Woche Bahn-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla bei Walter Schoefer auf eine Stippvisite vorbei.