Der Projekt-Streit befeuert neben dem Landtagswahlkampf die Frage nach den Chancen bei der Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl 2012.

Stuttgart - Wer den Tiger reitet, der darf nicht absteigen. Nach diesem Motto wird in Stuttgart seit Wochen Politik gemacht. Die Landtagswahl am 27.März lässt grüßen. Die Grünen, die einen historischen Erfolg für sich wittern, setzen knallhart auf ihr Nein gegen Stuttgart21 - die CDU, aufgeschreckt durch die jüngsten, für sie desaströsen Umfragen, suchen fieberhaft nach Wegen, ihr politisches Ansehen zurückzugewinnen. In der SPD liefern sich Befürworter und Gegner des Milliardenprojekts eine kuriose Debatte zwischen Ja und Nein - auch sie fürchten die Landtagswahl. Aber nicht nur die: im Herbst 2012 steht die nächste OB-Wahl an, und in allen politischen Lagern schielt man bereits auf diesen Volksentscheid.

Wolfgang Schuster, der Amtsinhaber seit 1997, ist angeschlagen. Gerade erst hat der OB seinen 61. Geburtstag gefeiert - sein persönliches Ansehen in der Bürgerschaft ist auf einem Tiefpunkt. Dünnhäutig und leicht verletzlich, tut sich Schuster schwer, mit den Schmähungen seiner Gegner umzugehen. Als Letzter der S21-Befürworter hat er einem Dialog mit denen, die das Bahnprojekt strikt ablehnen, zugestimmt. Wolfgang Schuster sagt immer wieder: "Ob ich mich um eine dritte Amtszeit bewerbe, gebe ich am 7. Januar 2012 bekannt - keinen Tag vorher." Doch Manfred Rommels politischer Ziehsohn weiß genau, dass seine Zeit im größten Rathaus des Landes 2012 zu Ende geht - er besitzt keine Siegchancen mehr, seine erneute Kandidatur würde die CDU in eine interne Zerreißprobe führen.

Aber wer, wenn nicht er? Seit 1945 hat Stuttgart erst drei Oberbürgermeister gehabt - nicht zuletzt durch Stuttgart 21 stehen die Christdemokraten jetzt zum ersten Male vor dem Problem, einen Kandidaten nominieren zu müssen, der dazu bereit ist, eine Niederlage einzukalkulieren und diese politisch wie persönlich einigermaßen unbeschadet zu überstehen. Michael Föll, der CDU-Kreisvorsitzende, hat zumindest schon in die grobe Richtung gewiesen: "Aus dem Rathaus heraus ist eine OB-Wahl nicht zu gewinnen." Das schließt seine eigenen Ambitionen, die man ihm lange nachgesagt hat, aus. Noch sieht der 46-Jährige seine Zukunft im Rathaus - ob das so bleibt, erscheint nicht sicher.

Die CDU-Kulturbürgermeisterin gibt sich zurückhaltend


In der vergangenen Woche hat sich Susanne Eisenmann deutlich ins Gespräch gebracht. Die 45-jährige, früher Bürochefin von Günther Oettinger und seit 2005 Bürgermeisterin für Kultur, Bildung und Sport, empfahl als Erste in der CDU dringend einen zeitlich begrenzten Baustopp, um der Konfrontation bei Stuttgart 21 gegenzusteuern. "Wir brauchen den Dialog, dazu sind auch Gesten und Symbole notwendig", sagte sie in Absprache mit ihrem Parteifreund Martin Schairer, dem Ordnungsbürgermeister. Und ihre Ambitionen auf die Schuster-Nachfolge: "Ich habe diesen Vorstoß aus Überzeugung unternommen - ohne jeden persönlichen Hintergedanken", beteuert Susanne Eisenmann. Stuttgart habe bekanntlich einen OB - und die Lage ihrer Partei zwinge, gerade im Blick auf die Landtagswahl, zu einer kritischen und selbstkritischen internen Debatte. Mit der OB-Wahl habe das nichts zu tun.

Hört man in die Kreis-CDU hinein, so werden in Sachen OB-Wahl etwa der Fellbacher Rathauschef Christoph Palm oder auch der parteilose Ludwigsburger Amtschef Werner Spec genannt. Allerdings: der 44-jährige Palm hat schon vor geraumer Zeit strikt abgewunken, der Ludwigsburger OB wäre 2012 immerhin 54 Jahre alt - er sitzt seit 2009 auf einem Ticket der CDU im Regionalparlament.