Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Den Eigentümern bleibt wenig anderes übrig, als auf die Ingenieurskunst zu vertrauen. Einer davon ist Horst Bülow. Dem Immobilienunternehmer gehört unter anderem der seinen Namen tragende Bülowbogen, ein Bürogebäude im Zwickel zwischen Presselstraße und Gäubahngleisen. „Der Bülowbogen hätte sich 28 Millimeter senken dürfen. Dann hätten wir den Tunnelbau stoppen und Hebungsinjektionen machen müssen“, sagt Strangfeld. Bei 22 Millimeter hat das Gebäude aufgehört, sich zu bewegen. Die Mineure sind längst ein gutes Stück weiter in Richtung Innenstadt. „Einige meiner Mieter haben mich immer wieder gefragt, wann es denn losgeht. Da war die Bahn schon unter uns durch“, sagt Bülow. Er sei sehr zufrieden damit, wie es gelaufen ist. „Wir waren ständig informiert, und unsere eigenen Gutachter konnten alles prüfen“, sagt er. „Das war sehr transparent“ – und hat überdies ganz neue Perspektiven eröffnet. „Ich habe meine Büros von unten gesehen“, sagt Bülow.

 

Die Eigentümer in die Tunnelbaustelle mitzunehmen, gehört zum Instrumentarium, mit dem die Bahn Vertrauen aufbauen will. Zu gut sind noch die Schlagzeilen in Erinnerung, die eine andere S-21-Baustelle nahe dem Wagenburgtunnel produziert hat. Dort gab es an der Zentrale der Landeswasserversorgung an der Schützenstraße Risse. Doch später bestätigte der Verband selbst, dass die sich schon gezeigt hatten, noch ehe sich die Tunnelbauer im Untergrund zu schaffen machten. An der Presselstraße blieben diese Aufregungen allen Beteiligten erspart. Strangfeld kann die Zahlen scheinbar im Schlaf herunterrasseln. Die Gebäude neigten sich in einem Verhältnis von 1:1140, die Sicherheitsgrenzen liegen bei 1:500. Ab diesem Wert zeigten sich Risse. Zum Vergleich: Der Schiefe Turm von Pisa neigt sich im Verhältnis von 1:10.

Noch viel komplizierter als das Untertunneln von Bürogebäuden ist allerdings die Aufgabe, die die Mineure erwartet, die sich in Richtung Bad Cannstatt vorarbeiten. Nur zwei Meter trennt die Tunneldecke von den Fundamenten, auf denen das Gäubahnviadukt an der Nordbahnhofstraße ruht. Senkt sich die Eisenbahnbrücke um maximal sechs Millimeter, dürfen die Züge Richtung Schweiz sie nur noch in reduziertem Tempo passieren. Strangfelds Team tastet sich deswegen langsam an die Sache heran. „Zuerst bauen wir die Röhre vom Hauptbahnhof Richtung Bad Cannstatt“. Die liegt zehn Meter tiefer und 30 Meter versetzt vom Tunnel für die Gegenrichtung, der genau unter dem Gäubahnviadukt verlaufen soll. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen helfen, auch diese Passage ohne Schäden zu meistern.

Einige Meter nach der kritischen Untertunnelung der Brückenfundamente, werden die Mineure ein erstes Etappenziel feiern können. An der Ehmannstraße stoßen sie dann auf eine offene Baugrube, den Zwischenangriff Rosenstein. Ein kleines Insekt hat auch dort die Bahn zur Umplanung gezwungen. Damit vom Juchtenkäfer bewohnte Bäume stehen bleiben können, wird die Grube nur 55 Meter lang statt der ursprünglich geplanten 200 Meter.