Ein Beamter berichtet, dass er sich am „schwarzen Donnerstag“ wunderte, weil die Demonstranten vor den Wasserwerfern ausharrten. Dass es Verletzte gegeben hat, habe er erst am Abend erfahren, als der Einsatz vorüber war.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Eine zentrale Frage taucht im sogenannten Wasserwerferprozess an jedem Sitzungstag auf. „Haben Sie im Laufe des Tages Verletzte im Schlossgarten gesehen?“ Bisher haben alle Zeugen diese Frage verneint, so auch der Wasserwerferkommandant, der am Freitag als Zeuge aussagt. Den zweiten Teil der Frage, den die Vorsitzende Richterin und ihre Kollegen nachschieben, beantwortet der 52 Jahre alte Polizeihauptmeister als erster Zeuge aber anders als alle vor ihm. Dass Demonstranten Fotos hochhielten, auf denen „eine männliche Person“ zu sehen war, das habe er erkannt, sagt der Polizist. Dass jedoch auf dem Bild der bei dem aus dem Ruder gelaufenen Einsatz schwer verletzte Dietrich Wagner zu sehen war, habe er aus der Fahrerkabine des Wasserwerfers nicht sehen können, fügt der Zeuge hinzu.

 

Die Frage nach den Verletzten – und damit auch die Antwort des 52-jährigen Polizeihauptmeisters aus Biberach – ist deshalb so bedeutsam, weil es ein zentrales Anliegen der Verfahrensbeteiligten ist, herauszufinden, ob die beiden Angeklagten im Verlauf des Einsatzes etwas von verletzten Demonstranten mitbekommen haben.Den hochrangigen Polizeibeamten wirft die Anklage vor, bei dem Einsatz am 30. September 2010 im Schlossgarten gegen Stuttgart-21-Gegner nicht eingegriffen zu haben, als durch den Strahl des Wasserwerfers mehrere Menschen verletzt wurden, einige von ihnen sogar schwer. Vier Verletzte treten in dem Verfahren als Nebenkläger auf. Der 42-jährige Polizeioberrat und der 48-jährige Polizeidirektor waren an jenem Tag, der als „schwarzer Donnerstag“ in die Geschichte der Stadt einging, als Einsatzabschnittsleiter tätig. Sie sollten die Räumung eines Teils des Schlossgartens koordinieren, weil dieser abgesperrt werden sollte. Die Bahn fing am 1. Oktober an, Bäume im Baustellenbereich zu fällen.

Noch nie hat der Kommandant im Einsatz Verletzte erlebt

Er habe erst abends, als er im Hotel angekommen sei, mitbekommen, was das Bild tatsächlich zeigte, dass die Demonstranten hochhielten. Kollegen hätten das Foto des Dietrich Wagner, der aus den Augenhöhlen blutete, im Fernsehen gesehen. In keinem früheren Einsatz habe er erlebt, dass Menschen durch Wasserwerfer Verletzungen erlitten hätten, schildert der Polizist.

Ein Nebenklagevertreter will genau wissen, welche Erfahrungen der Beamte mit Wasserwerfern hat. Er sei 1986 zu der Einheit der Bereitschaftspolizei in Biberach gekommen. Als Kommandant werde er seit 1988 eingesetzt, einen entsprechend Lehrgang habe er 2006 besucht, antwortet der Zeuge. Und berichtet, wie unterschiedlich Demonstranten auf Wasserwerfer reagieren: „Bei einem Einsatz in Friedrichshafen haben wir es nur ein paar Sekunden regnen lassen, dann waren alle weg“, erzählt er. Dass wie im Schlossgarten die Demonstranten bleiben, habe er noch nicht erlebt. Am Tag vor dem Einsatz habe er erfahren, wohin die Wasserwerferstaffel am 30. September fahren solle. Er habe gegenüber Vorgesetzten Bedenken geäußert, weil aus Personalmangel unerfahrene Kollegen in den Wasserwerfern Dienst tun sollten. „Aber sie haben sich dann gut angestellt.“

Im Verlauf des Einsatzes habe er immer darauf geachtet, dass der Wasserstrahl nicht auf Köpfe gerichtet werde. So schreibt es die Dienstvorschrift für den Einsatz von Wasserwerfern vor. Auch habe er seinen Kollegen gesagt, sie sollten nicht auf Personen in Bäumen zielen. Zeugen aus den Reihen der Demonstranten hatten ausgesagt, das wäre der Fall gewesen.

Das Verfahren wird am Montag, 13. Oktober, fortgesetzt.