Es gibt viele Konfliktpunkte zwischen den Projektpartnern beim Bau des geplanten Tiefbahnhofs und seiner Tunnels. Bei der jüngsten Sitzung des S-21-Lenkungskreises sind sich Bahn, Stadt und Land nun auch wegen des Baustellen-Abraums in die Haare geraten.

Stuttgart - Dass sich die Projektpartner Land, Stadt und Bahn bei dem umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 nicht grün sind, ist bei der jüngsten Sitzung des S-21-Lenkungskreises im Juli offen zu Tage getreten. Während die Bahn „behördlichen Schwergang“ für Verzögerungen und Verteuerungen des Milliardenvorhabens verantwortlich macht, werfen die Landesregierung und die Rathausspitze dem Schienenkonzern mangelhafte Planung vor. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung ist inzwischen auch ein heftiger Streit über die Frage entbrannt, wo und zu welchem Preis die Bahn den Tunnelaushub und Baustellenabraum entsorgen kann.

 

Nach Angaben eines Sprechers des S-21-Kommunikationsbüros rechnet man allein bei den innerstädtischen Baustellen mit rund acht Millionen Tonnen; weitere 13 Millionen Tonnen aus dem Filder- und Neckarbereich kommen hinzu, die dezentral entsorgt werden sollen. Die ursprünglichen Pläne der Bahn sahen vor, das Material vor allem im sächsischen Braunkohletagebau endzulagern.

 

Da wird die Stimmung eisig

Bei der Schlichtung Ende 2010 kündigte Bahn-Infrastrukturvorstand Volker Kefer dann an, es kämen nun vor allem Deponien in Baden-Württemberg zum Zug. Die Erddeponien und für eine Verfüllung geeigneten Steinbrüche in der Region und im Land wittern seither das große Geschäft mit dem Bauschutt. Das treibt die Preise nach oben und belastet den mittlerweile ohnehin auf bis zu 6,8 Milliarden Euro angestiegenen Projektetat. Zugleich müssen die Deponien im Großraum Stuttgart Reserven für das Entsorgungsmaterial aus den eigenen Landkreisen vorhalten – die Kapazitäten sind also begrenzt.

„Bei dem Thema wurde die Stimmung regelrecht eisig“, berichteten verschiedene Teilnehmer der Lenkungskreissitzung vom 23. Juli. Volker Kefer habe von den Projektpartnern verlangt, ihren Einfluss auf die in öffentlicher Hand befindlichen Deponien geltend zu machen, um den Preisanstieg zu bremsen und mehr Kapazitäten zur Verfügung zu stellen. Doch bei Land und Stadt habe der Bahnmanager damit „auf Granit gebissen“. Auch das Argument, es handele sich um Stuttgarter Erde, die die Bahn entsorgen müsse, habe nicht gestochen. Schließlich sei die Bahn der Bauherr und daher auch allein verantwortlich für das Entsorgungskonzept, habe es bei Stadt und Land geheißen.

Bahn wollte Schutt im Straßenbau verwenden

Wie groß die Not bei der Abraumentsorgung sein muss, zeigt auch, dass die Bahn nach StZ-Recherchen bei der Landesregierung darum gebeten hat, zu prüfen, ob Teile des Erdaushubs nicht auch zur Verfüllung beim Straßenbau verwendet werden können. Das Land hat zwar geprüft, aber den Vorschlag letztlich abgelehnt.

Den Kostendruck bei der Abraumentsorgung hatte die Bahn bereits in einer früheren Lenkungskreissitzung selbst dokumentiert und deshalb im vergangenen Jahr eine „Optimierung“ ihrer Baulogistik vorgelegt. Das ursprüngliche Konzept sah vor, den Erdaushub etwa des Fildertunnels oder der Baugrube für den Tiefbahnhof mit Lastwagen über eine eigens angelegte Baustraße zum Umschlagplatz am Nordbahnhof zu bringen.

Transport in Containern soll die Kosten nach unten drücken

Von dort aus sollte der Abraum in herkömmlichen Güterwaggons zu den Deponien gebracht werden. Weil aber nicht alle Deponien über Gleisanschlüsse verfügen, sollen die Erdmassen dem neuen Konzept zufolge zunächst in Container verladen werden, die dann großenteils via Schiene zu einem Umschlagterminal der DB-Tochter Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene-Straße mbH (Duss) transportiert werden. Dort werden die Container wieder auf Lastwagen umgeladen und zur Deponie gefahren. Vorteil laut Bahn: „Der Lkw-Nachlauf erschließt kostengünstige Deponien ohne Gleisanschluss im Fernbereich.“ Deren Kapazitäten reichen aber offenbar allein auch nicht aus – anders lässt sich Kefers Appell an die Projektpartner kaum verstehen.

Wie hoch die Bahn das Budget für die Entsorgung des Abraums veranschlagt, wollte der Bahnsprecher unter Hinweis auf die laufenden Ausschreibungs- und Vergabeverfahren nicht sagen. Die Vergaben sollen noch in diesem Jahr erfolgen.

Nichts ändern wird sich den Angaben zufolge an den Plänen, ein Förderband für den Bauschutt zwischen dem Gebhard-Müller-Platz und dem Mittleren Schlossgarten zu installieren. Zwar soll der Fildertunnel nicht mehr, wie ursprünglich vorgesehen, von der Stadtmitte aus zum Flughafen gegraben werden, sondern in umgekehrter Richtung. Gleichwohl benötige man das Förderband für den Abtransport für den Aushub des Verzweigungsbauwerks Richtung Obertürkheim sowie den Abraum der dafür vorgesehene Baustellenzufahrt, die später auch im Ernstfall als Rettungszufahrt für die Feuerwehr dienen soll.