Am Rand des Mittleren Schlossgartens hat die Bahn im Juchtenkäferrevier zwei Bäume pflanzen lassen. Sie ersetzen zwei größere Platanen, die der Baustelle hatten weichen müssen.
Stuttgart - Wohnungen sind knapp in Stuttgart – auch für die Juchtenkäfer. Nach dem Holzeinschlag im Mittleren Schlossgarten und dem Versetzen von Bäumen für den Bahnhofsbau hat die Deutsche Bahn AG am Donnerstag das künftige Angebot wieder ein wenig aufgebessert. Mit Bagger und Mobilkran ließ sie zwischen der Baugrube für den Tiefbahnhof und der Schillerstraße zwei Platanen pflanzen, die schon aus dem Kindheitsstadium herausgewachsen sind. 25 bis 30 Jahre dürften die Bäume alt sein – und zwölf bis 14 Meter hoch.
Ihr Standort dicht beim Ferdinand-Leitner-Steg liegt im Juchtenkäferhabitat, wie der Lebensraum für die streng geschützten Tierchen genannt wird. Weshalb die Pressestelle der Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm über ihre Pressemitteilung schrieb: „Bahn schützt Lebensraum des Juchtenkäfers im Mittleren Schlossgarten.“ Das bringt die Sache auf einen ziemlich einfachen Nenner. Die Realität ist komplexer. Denn vor dieser Pflanzung waren im Februar dieses Jahres erst einmal zwei Platanen gefällt worden, die dichter an der Schillerstraße gestanden hatten und dem Bau eines neuen Stadtbahntunnels weichen mussten. Der wird wegen Stuttgart 21 zwischen dem Hauptbahnhof und der Haltestelle Staatsgalerie gebraucht.
Nur zwei Bäume hätten die Versetzung nicht überstanden
Ganz zu schweigen davon, dass im Mittleren Schlossgarten wegen des Milliardenprojekts 176 Bäume des Mittleren Schlossgartens für das Bauprojekt der Bahn beseitigt werden mussten. Auf 84 Bäume, die vom Schlossgarten und vom Kurt-Georg-Kiesinger-Platz versetzt wurden, ging die Pressestelle jetzt gern wieder ein. Vier Jahre später seien 82 dieser Bäume an ihren neuen Standorten in anderen Teilen des Schlossgartens, am Rand der Feuerbacher Heide und auf Friedhöfen gut angewachsen und gesund. Lediglich zwei Bäume hätten die Versetzung nicht überstanden.
Wie die jetzt gepflanzten Platanen sich entwickeln werden, soll regelmäßig geprüft werden. Bei der Pflanzaktion seien die 25 bis 30 Jahre alten und zwölf bis 14 Meter hohen Bäume ordnungsgemäß in den Boden gesetzt worden, stellte eine Mitarbeiterin der Firma Baader-Konzept fest. Das Unternehmen ist von der Bahn mit der Ökologischen Bauüberwachung beauftragt. Es kontrolliert, ob Auflagen des Eisenbahnbundesamts und der Stadt Stuttgart eingehalten werden.
Ursprünglich sollten die Plantanen versetzt werden
Die neuen Bäume würden erst in rund 20 Jahren in den Stämmen kleine Höhlen bilden, die sich als Brutstätten für Juchtenkäfer eignen, denken die Bahnverantwortlichen. Daher wollen sie im nächsten Frühjahr Nistboxen anbringen, die quasi als Übergangswohnungen dienen können. In Schweden habe man die Erfahrung gemacht, dass Juchtenkäfer solche Nistboxen akzeptieren.
Die beiden Bäume, die im Februar gefallen waren, hatten zwar schon 30 bis 35 Jahre Lebenszeit hinter sich, seien aber auch noch nicht von Juchtenkäfern bewohnt gewesen, sagte Heinz Müller, der bei der Bauüberwachung der Bahn für das Juchtenkäferhabitat zuständig ist. Ursprünglich wollte die Bahn diese beiden Platanen versetzen lassen, doch das Vorhaben wurde aufgegeben, weil die Kosten sich laut Bahn auf rund drei Millionen Euro zu summieren drohten. Grund: Man hätte Tiefbohrungen vornehmen und eine Betonplatte für den Riesenkran bauen müssen, der dann nötig gewesen wäre, sagt Heinz Müller. Die nun gepflanzten Bäume, die aus einer Baumschule bei Oldenburg stammen, kosten jeweils „eine hohe fünfstellige Summe“. Dazu kommen Planungskosten in Höhe von gut 300 000 Euro, die allerdings wegen der wechselreichen Vorgeschichte so hoch sind.
Die gute Nachricht für Müller und die Bahn ist, dass im Mittleren Schlossgarten wegen Stuttgart 21 voraussichtlich kein Baum mehr angepackt werden muss. Anders ist das im Bereich Rosenstein, wo die Bahn noch auf die Zustimmung der Europäischen Union wartet, um Bäume im Juchtenkäferrevier fällen zu dürfen.