Weil sie die zweijährige Nichte ihres Ehemanns totgeschüttelt haben soll, ist eine 25-Jährige zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Frau bleibt vorerst auf freiem Fuß.

Stuttgart - Die Beweislast war erdrückend, die Version der jungen Angeklagten wurde von den Richterinnen und Richtern ins Reich der Fabel verwiesen. „Das kann nicht stimmen, so kann es nicht gewesen sein“, sagt Christian Klotz, Vorsitzender Richter der 1. Strafkammer des Landgerichts. Das Urteil: fünf Jahre Gefängnis wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

 

Damit ging die Kammer sogar noch ein Jahr über den Strafantrag des Staatsanwalts hinaus. Die Verteidigerin hatte keinen konkreten Antrag gestellt.

„Kind war nicht zu retten“

Dem zweijährigen Mädchen waren die tödlichen Verletzungen am frühen Nachmittag des 11. Dezember vorigen Jahres zugefügt worden. Die Angeklagte, die zusammen mit ihrem Mann die Tochter ihres Schwagers aufgenommen hatte, weil der alleinerziehende Vater überfordert war, hatte ausgesagt, sie habe das Kind in der ehelichen Wohnung an der Kappelbergstraße in Fellbach gewickelt. Plötzlich sei das Mädchen ohnmächtig auf dem Boden gelegen. Sie habe versucht, das Mädchen zu Bewusstsein zu bringen, habe dann ihren Mann an seiner Arbeitsstelle angerufen und sei schließlich zu ihrer Nachbarin gelaufen.

Der Vater hatte seine Nichte später ins Krankenhaus nach Winnenden gebracht. Die Ärzte verlegten das Mädchen sofort auf die Intensivstation des Olgahospitals in Stuttgart. „Das Kind war nicht mehr zu retten“, so Richter Klotz. Es starb am 15. Dezember 2018 um 17.25 Uhr, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.

Die Frau, sie hat einen knapp zweijährigen Sohn, war mit ihrem Mann vor dem Krieg in Syrien geflüchtet und lebt seit 2015 in Deutschland. Das Paar hatte die Nichte des Mannes aus Griechenland zu sich geholt.

Alle Zeugen hatten bestätigt, dass die Angeklagte fürsorglich und liebevoll mit dem Mädchen umgegangen sei. „Sie hat das Mädchen behandelt wie ein eigenes Kind“, sagt Richter Klotz. Am Tattag müsse sich die Frau aus irgendeinem Grund über das Mädchen geärgert haben. Mindestens zehnmal sei das Kind heftig geschüttelt worden, hatte der Rechtsmediziner berichtet.

Die Frau bleibt auf freiem Fuß

Die Folgen: subdurale Hämatome auf beiden Seiten des Kopfes, Einblutungen in den Augen und im Rückenmark, ein massiv geschwollenes Gehirn. „Die Befunde für ein Schütteltrauma sind eindeutig“, so der Richter. Es komme niemand anderes als Täter in Betracht. Die Angeklagte habe gewusst, dass ein solches heftiges Schütteln schwere Verletzungen zur Folge haben kann. „Der Grund, warum sie so gewalttätig wurde, bleibt für uns im Dunkeln“, sagt der Richter. Nur die Angeklagte kenne ihn.

Die 25-Jährige habe zwar mit Körperverletzungsvorsatz gehandelt, nicht jedoch mit einem Tötungsvorsatz. Der gegen sie verhängte Haftbefehl sei aufrechtzuerhalten, bleibe aber gegen Auflagen außer Vollzug, so der Richter. Die Verteidigung wird nun prüfen, ob sie Rechtsmittel einlegt.