Prost, Mahlzeit! Am Durst und Hunger der Menschen hat sich wenig geändert, nur an den Orten, beides zu stillen. Die Fotosammlung von Wolfgang Müller gibt starke Einblicke in das Gastgewerbe von früher. In den 1920ern lockte bereits ein vegetarisches Restaurant in Stuttgart.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - An der Charlottenstraße befand sich, wie auf der 1915 abgestempelten Postkarte zu lesen ist, ein „alkoholfreies Restaurant“. Ein Kommentar dazu auf der Facebook-Seite unseres Geschichtsprojekts „Stuttgart-Album“ lautet: „Kein Wunder, dass es auf dem Bild so leer ist.“

 

Menschen hingegen sind auf der Karte mit dem „Gruß von Königsbau“ zu sehen, die laut handschriftlicher Notiz 1898 fortgeschickt worden ist. Elegant gekleidete Herren spielen Billard und dürften sich wohl kaum mit alkoholfreier Erfrischung zufriedengegeben haben. Laut Aufschrift gab es „Pilsner Bier vom bürgerl. Brauhaus Pilsen“. Die Postkarte ist englisch beschrieben und ging an „my dear friend Hartung“. Der liebe Freund Hartung konnte also sehen, wie glanzvoll es im Café Königsbau zuging, das sich seit Eröffnung 1859 mit Samt, Seide und Schampus an Pariser Vorbildern orientierte.

Journalisten trafen sich im Königsbau

Unser Leser Wolfgang Müller bewahrt Fotoschätze wie diese in seinen Karten-Alben auf, die viel Spannendes aus Stuttgarts Stadtgeschichte enthalten. Unserer Serie hat er Raritäten der Sammlung anvertraut.

Das Café Königsbau gilt als erstes Kaffeehaus Süddeutschlands. „Stets war es die Stätte, wo führende Persönlichkeiten des Staates, der Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft eine kurze Erholung suchten und sich an dem herrlichen Anblick des Schlossplatzes erfreuten“, war im „Merkur“ am 10. November 1934 zu lesen. In ihrem historischen Rückblick zur Wiederöffnung des Königsbaus schrieben die Stuttgarter Nachrichten 1959: „Hier verkehrten viele Stuttgarter Schriftsteller, und für Journalisten war es Sitte, dass man nach dem inneren oder äußeren Dienst sich noch zu einem Schlummertrunk traf.“ Viele hätten dort ihre Berichte von abendlichen Veranstaltungen, von Theater, Konzerten und Vorträgen geschrieben, „die dann in den Nachtbriefkästen der Redaktionen versenkt werden konnten“.

1905 hatte der Vegetarierbund 1550 Mitglieder

Vor dem Krieg gab es in der Kanzleistraße, der heutigen Willi-Bleicher-Straße, das vegetarische Restaurant Ceres, das auch in Mannheim mit selben Namen vertreten war. 1905 gehörten dem Deutschen Vegetarierbund 1550 Mitglieder an. In der Schweiz hatte der 1939 gestorbene Arzt Maximilian Oskar Bircher-Benner eine vegetarische Vollwertkost als Heilmethode entwickelt – sein Birchermüsli ist bis heute bekannt.

Auf den Karten von Wolfgang Müller sind außerdem die gastronomische Pracht der alten Liederhalle zu sehen sowie der Konzertsaal der Dinkelacker-Brauerei, der von der Größe an ein Bierzelt erinnert. Auf dem Hasenberg war die Welt des Waldhauses als Ausflugsziel noch in der Ordnung. Schlank ragte der 36 Meter hohe Hasenbergturm über den Wald - er war ein Wahrzeichen der Stadt, lang bevor es der Fernsehturm auf einem anderen Hügel werden konnte. Der Hasenbergturm, 1879 vom Verschönerungsverein erbaut, lockte schon bald nach seiner Eröffnung Zehntausende an. Die vielen Besucher hatten Hunger und Durst. Sie kehrten besonders gern im Waldhaus ein.

Bücher zur Serie im Silberburg-Verlag

Was von der alten Pracht übrig geblieben ist? Steine, Ruinen, ein Stumpf des 1943 von den Nazis gesprengten Hasenbergturms, der den Flugzeugen der Alliierten keine Orientierung bieten sollte. Das Waldhaus gehört zu den Trauerkapiteln der Stuttgarter Gastrogeschichte. Es steht leer und verfällt.

Diskutieren Sie im Internet mit unter www.facebook.com/Album.Stuttgart. Im Silberburg-Verlag sind zwei Bücher zur Serie „Stuttgart-Album“ erschienen.

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