Lerche, Barth oder Govi – wer kennt sie noch? Diese Stuttgarter Musikläden sind Legende. Ihre Tüten werden wie Schätze aufbewahrt. Eifrig posten die Besitzer sie im Internet-Forum des Stuttgart-Albums und zeigen damit an: Wir waren dabei!

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Wo Jens Rottacker „große Teile meines Taschengeldes abgeliefert“ hat, vergisst er nie: in der Lerche – in einem Haus, das seine Generation geprägt hat. Es gab sogar drei Lerchen an der Königstraße! Und auch Oliver Stilzer erinnert sich: „Damals bin ich einmal im Monat mit dem Bus in die Stadt gefahren und haben jeden Pfennig, den ich hatte, in Platten investiert.“

 

Wer eingekauft hatte, trug seine Beute in bunten Plastiktüten zufrieden nach Hause. Damals waren die Tonträger so groß wie eine Pizza. Die Taschen mit dem berühmten Lerche-Logo fielen auf. Im Dezember waren sie mit einem Weihnachtsmann geschmückt. Bereits in der Straßenbahn musste man in diese Zaubertüte greifen – denn ein neu erstandenes Album fühlte sich gut an. Auf haptische Genüsse muss heute beim Online-Streamen und Downloaden völlig verzichtet werden. Die Kunst der Covergestaltung ist ebenfalls untergegangen.

1959 ist die erste Lerche eröffnet worden

Das Internet stürzte die Musikindustrie von einer Revolution in die nächste, was am Ende auch die Lerche verstummen ließ. 2004 musste das ehemals größte Radio- und Fotohaus Süddeutschlands für immer schließen. Der Preiskampf gegen die Branchenriesen und Media-Märkte war endgültig verloren.

Mythen in Tüten. Im Facebook-Forum unseres Stuttgart-Albums macht es Fans der legendären Läden Spaß, Fotos von uralten Plastik- und Papiertaschen zu posten. Ein regelrechter Sport ist daraus geworden. Viel zu wertvoll sind diese Tüten, als dass man sich von ihnen trennen könnte. Dieser Wert misst sich nicht in Geld – verkaufen will kaum einer die Dokumente einer anderen Zeit. Nicht allein die Lerche sorgt für Wehmut. Auch das Radiohaus Barth, Diskus, Govi, Radio Strässer oder Radio Grüner lassen Erinnerungen aufblühen.

1959 hat Albert Armin Lerche den Plattenladen mit seinem Namen eröffnet. Schon wenige Jahre später ist daraus eine Institution mit drei Standorten geworden. Ohne Klimaanlage liefen im Sommer mit den Plattenspielern die Menschen heiß. Es war jene heute fast unvorstellbare Zeit, in der der Einzelhandel auf der teuersten Meile der Stadt familiengeführt Gewinne abwarf.

2000 wurde das Barth-Haus abgerissen

Mitunter ließen sich Musikfreunde im Radiohaus Barth beraten, kauften aber in der billigeren Lerche ein. Zu den architektonischen Glanzpunkten der Stadt zählte das Barth-Haus am Rotebühlplatz nicht, trotzdem vermissen es viele heute noch – wegen seiner inneren Werte: Der 1966 erbaute Waschbetonklotz war das Tor zu einer neuen, verheißungsvollen Welt aus Pop und Rock. 1996 machte Barth zu – die Radio Bar entstand.

2000 ist das Gebäude für das Geschäftshaus City-Plaza abgerissen worden. Die Tüten sind geblieben. Für die einen ist es Plastik, für die anderen ein Stück ihrer Jugend.

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