Vor 70 Jahren ist die erste Ausgabe von „Das Beste aus Reader’s Digest“ in Deutschland erschienen. Das Stuttgart-Album erinnert daran, wie OB Arnulf Klett den amerikanischen Verlag ins Schwabenland gelockt hat.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Sollen Bauchoperierte aufstehen? Was ist ein Mann? Mit Fragen wie diesen, die medizinisch, dramatisch oder amüsant sein durften, hat sich ein 136-seitiges Magazin in seiner ersten Ausgabe befasst. Unter dem Titel „Das Beste aus Reader’s Digest“ (englisch für „Kurzfassung“ oder „Auszug“) ist es im September 1948 nach US-Vorbild im damals ungewöhnlich kleinen Format gestartet. Gleich auf dem Titelbild stand, um was den amerikanischen Machern ging, die ihren deutschen Standort in Stuttgart gefunden hatten: „Artikel und Buchauszüge vom bleibenden Wert“.

 

Mit lehrreichen und unterhaltsamen Texten wollte sich die „meistgelesenen Monatsschrift der Welt“ an eine Leserschaft wenden, die wenig Zeit hat. Drei Jahre nach Kriegsende, wenige Monate nach der Währungsreform, kam die neue Zeitschrift auf den Markt und kostete damals eine Mark. Den Anspruch, Bleibendes zu veröffentlichen, hat die „Das Beste“-Redaktion nicht aufgegeben. Im September feiert sie ihr 70-Jahr-Jubliäum, nicht mehr den US-Gründern unterstellt, die 1922 die erste Ausgabe veröffentlicht hatten.

Seit 2017 ist der Verlag in spanischem Besitz

Der in Stuttgart ansässige Verlag ist seit Mai 2017 eine Tochtergesellschaft des spanischen Direktmarketing-Unternehmens CIL, das zuvor die „Reader’s Digest“-Töchter in Spanien, Portugal, Frankreich, den Niederlanden, in Belgien, Schweden und Finnland übernommen hatte. Dass der Grundstein für die Gesellschaft 1948 bei den Schwaben gelegt wurde, ist nicht zuletzt der Beharrlichkeit des damaligen Oberbürgermeister Arnulf Klett zu verdanken. „Das Beste ist für Stuttgart gerade gut genug“, soll er gesagt und heftig um den „Reader’s Digest“-Generaldirektor Paul W. Thompson geworben haben, der durch das von den Alliierten dirigierte Germany reiste, um eine Lizenz und eine Bleibe für die Idee zu erhalten, das Erfolgsmodell mit übersetzter Ausgabe auf Deutschland zu übertragen. Klett half mit, Verlagsräume in der Stadt zu finden, die von Kriegszerstörungen gekennzeichnet war.

Stuttgart, damals Hauptstadt des Übergangsstaates Württemberg-Baden, gab sich unter Kletts Führung als besonders aufbaufreudig und verfolgte das Ziel, als Verlagsstadt an die Stelle Leipzigs zu treten. Ein halbes Dutzend Mitarbeiter bezog ein Haus an der Paulinenstraße, bereitete in Windeseile zwei Probeausgaben vor. Damit das Magazin im September 1948 erscheinen konnte, mussten einige Hürden genommen werden. Fast alles für den Druck erforderliche Material – selbst Packpapier und Bindfaden – konnte man nicht in Deutschland auftreiben und musste in den USA besorgt werden.

Monatliche Auflage liegt bei etwa 270 000 Exemplaren

Vor allem in den 1970er und 1980ern – der Verlag residierte von 1962 bis 1979 am Rotebühlplatz, bevor es an die Augustenstraße ging – lag die Abonnementszeitschrift im Pocketformat in vielen Wohnzimmern und Arztpraxen der Republik. Zielgruppe waren Menschen über 40 Jahre, meist gut situiert, literarisch interessiert, religiös und von der Grundeinstellung optimistisch, mit dem Wunsch, mehr vom Guten der Welt zu erfahren, nicht nur von Krisen und Skandalen.

Heute liegt die monatliche Auflage bei etwa 270 000 Exemplaren. 100 Mitarbeiter sind bei „Reader’s Digest“ am neuen Standort tätig, an der Ecke Vordernbergstraße/Heilbronner Straße. Das 2009 bezogene Gebäude Z-UP setzt ein architektonisches Zeichen. Hinter markanter Fassade mit abgerundeten Fenstern befasst sich die Redaktion weiterhin mit Fragen des Lebens. Was tun nach einer Operation? Wann ist der Mann ein Mann? Es gibt Fragen, die bleiben, sie stellen sich nur immer wieder neu.

Diskutieren Sie mit unter www.facebook.com/Album.Stuttgart. Im Sutton-Verlag ist „Das Beste aus dem Stuttgart-Album“, der dritte Band unseres multimedialen Geschichtsprojekts, erschienen.