Seit bald 100 Jahren gehört das Neue Schloss dem Volk. Am 30. November 1918 hat König Wilhelm II. abdanken müssen. Zum Jubiläum werden im Internetforum unseres Stuttgart-Albums die Rufe nach einem Bürgerschloss laut.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Im November 1918 weht die rote Fahne auf dem Dach des Wilhelmspalais, am Wohnsitz des letzten Königs von Württemberg. Wilhelm II. muss gehen. Wenige Jahre zuvor soll er bei der Verabschiedung von Soldaten in den Ersten Weltkrieg geweint haben. Ob die Tränen aus Sorge um seine „lieben Buben“ flossen oder aus Angst vor der Schicksalsstunde für seinen Thron ist bei Historikern umstritten. Bei Truppenbesuchen spendete der Regent Freibier und sprach vom bevorstehenden Sieg. Gesiegt hat am Ende die Novemberrevolution. Die deutsche Monarchie wird gestürzt.

 

Wilhelm II. ist auf die Gnade der sozialdemokratisch geführten Regierung angewiesen. Diese ist großzügig. Der letzte Königsspross des Hauses Württemberg, nun zum Herzog herabgesetzt, bekommt eine jährliche Rente von 200 000 Mark sowie ein lebenslanges Wohnrecht im Jagdschloss Bebenhausen. Das zwischen 1746 und 1807 erbaute Neue Schloss geht in den Staatsbesitz über. 100 Jahre ist dies nun her. Zum Jubiläum ist im Internetforum des Geschichtsprojekts „Stuttgart-Album“ die Debatte über ein Bürgerschloss neu entbrannt.

„Für Amtsräume ist das Neue Schloss viel zu schade“

Kommentatorin Christoph Aichele fordert, dass man den Jahrestag nutzen sollte, um endlich „Kultur und Co.“ grünes Licht für diese zentrale Stelle der Stadt zu geben. „Für Amtsräume ist das Schloss viel zu schade“, findet er. Die Userin Petra Knecht schreibt: „Es gibt in Deutschland kaum eine andere ehemals bedeutende Residenzstadt, die im Zentrum so wenig wie Stuttgart davon zeigt. Das Neue Schloss kann nicht nur royale Räume vorführen und zu Konzerten und Bällen einladen, sondern auch dokumentieren, was das Haus Württemberg über Jahrhunderte zur Geschichte beigetragen hat. Der 200. Geburtstag des Volksfests könnte Auslöser sein für eine Darstellung, die nicht verfälscht, sondern erläutert.“

Anders sieht es Henning Kasper. Man sollte das Schloss „lassen, wie es ist“, fordert er. Seine Begründung: „Wir haben genug wichtigere Aufgaben: Stuttgart 21, Fahrverbot, Radwege, Wohnungsnot. Mietpreise etc.“

Nach dem Sturz der Monarchie war im Erdgeschoss des Neuen Schlosses 1918 das Deutschland-Institut eingezogen. Das Polizeipräsidium der Stadt kam in den ersten Stock. Später wurden Museen im einstigen Königsdomizil eröffnet, etwa das Deutsche Heeresmuseum und das Antikenmuseum.

1964 war der Wiederaufbau des Schlosses fertig

Nach der Kriegszerstörung war der Spätbarockbau jahrelang nur eine leere Hülle. Es gab sogar Pläne, dort ein Mineralbad zu errichten. Die beiden Stuttgarter Tageszeitungen sammelten Spenden für die Rettung des Schlosses. Im April 1955 lehnte der Landtag mit nur einer Stimme Mehrheit einen Plenarsaal im Schloss ab. Das Parlament wurde im Akademiegarten gebaut.

Im März 1964 ist nach fünfeinhalbjährigem Wiederaufbau der Mittelbau des Neuen Schlosses eröffnet worden. Finanz- und Kultusministerium bezogen die Seitenflügel. Die Beamten sollten nun ausziehen, fordert Kommentatorin Sybille Meier im Facebook-Forum des Stuttgart-Albums und fragt: „Was spricht gegen ein Restaurant oder Café, kombiniert mit einer Konzertstätte?“

Diskutieren Sie mit unter www.facbeook.com/Album.Stuttgart. Zu unserer Geschichtsserie sind drei Bücher erschienen, zuletzt „Das Beste aus dem Stuttgart-Album“ im Sutton-Verlag.