Lebhaft hat sich Sven Regener bei den Jazz Open an seine ersten Auftritte mit Element of Crime in den 80ern in Stuttgart erinnert. Die Röhre war sein Ausgangspunkt, um Besonderheiten der Stadt zu entdecken. Im Wagenburgtunnel bebte die Subkultur.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - „Ein Tunnel“, hat einmal ein schlauer Mann gesagt, „ist nichts anderes als ein Loch, ein nützliches Loch.“ Dieser schlaue Mann hieß Manfred Rommel. Im September 1985 sprach der damalige OB vom nützlichen Loch bei Eröffnung des Musicclubs Röhre, in dem parallel zum Wagenburgtunnel bis 2012 das Leben tobte.

 

Rommel war damals der meistverkaufte Buchautor von Stuttgart. Ein anderer Literat, der vor 60 Jahren in Bremen geboren ist und ebenfalls sehr viele Bücher verkauft, heißt Sven Regener. Dieser Mann – er ist Schriftsteller und Musiker – ist der Stuttgarter Röhre besonders eng verbunden. Mit seiner Band Element of Crime ist der Schöpfer von Herrn Lehmann in diesem langen, dunklen Schlauch 1987 zum ersten Mal aufgetreten und seitdem immer wieder. Meist hat er das Licht am Ende des Tunnels gesehen.

Herausragendes Konzert mit bittersüßer Melancholie

Daran hat sich Regener bei den Jazz Open im Alten Schloss, bei einem herausragenden Konzert mit bittersüßer Melancholie, gern erinnert. „Als wir heute durch den Tunnel in Stuttgart fuhren“, erzählte er, „hatten wir den Geruch der Röhre sofort in der Nase.“ Dieser Musikclub, tief in der Subkultur verankert, war Ausgangspunkt für ihn, um Stuttgart zu entdecken. Das Leben, darauf kam er rasch, macht nicht nur in Delmenhorst Spaß (einer seiner größten Hits spielt dort). Komische Leute gibt es auch anderswo.

Nach einem Konzert in der Röhre war mal die Band schon draußen, als ihr einfiel, dass noch ein paar Bier backstage im Kühlschrank lagen. Die Jungs wollten zurück. „Man hat uns nicht reingelassen“, erzählt Regener, „wir hätten erst Eintritt zahlen müssen.“ Die Musiker ließen sich stattdessen mitnehmen zu einer Disco, deren Namen der 60-jährige Vater von zwei Kindern bis heute nicht vergessen hat. Zorba the Buddha war in den 80ern und 90ern ein Treff im Schwabenzentrum. Der Türsteher ließ natürlich nicht jeden rein. „Du darfst“, sagte er, „du darfst nicht.“ Und: „Du darfst erst recht nicht.“

Die Hotelzimmer waren doppelt gebucht

Sven Regener durfte, was ihm peinlich war. Also ging er auch nicht rein, sondern reihte sich ein in eine Clique, die weiterzog – es ging zu einer Party auf dem Killesberg. Dort ist in der Nacht Geld geklaut worden. Element of Crime stand sofort im Verdacht – das hat man von so einem Namen.

Später im Hotel stellte sich raus, dass die Zimmer doppelt gebucht waren – auch an eine irische Band. Element of Crime legte sich in die Betten. Am nächsten Morgen sahen Regener und seine Kollegen, dass auf dem Boden daneben irische Musiker lagen.

1941 hatte man zwei Röhren in den Berg getrieben

„Chaoten, aus denen was geworden ist“ – so beschreibt Nanno Smeets, einer der drei Macher des Musikclubs, die Röhre-Familie. Ob Element of Crime Chaoten sind, ist bisher nicht abschließend geklärt – aber aus einer Band ist, klar, was geworden, wenn es ihre Pop- und Rockmusik mit poetischem Feingefühl bis zu den Jazz Open schafft.

An chaotischen Erlebnissen herrschte in der Nordröhre des Wagenburgtunnels kein Mangel. Blicken wir noch weiter zurück: 1941 hatte man zwei Röhren in den Berg getrieben, um den Stuttgarter Osten mit der City zu verbinden. Der Krieg stoppte den Bau, die Menschen suchten dort Schutz vor Luftangriffen. 1958 war die Südröhre fertig, damals mit 824 Meter der längste Straßentunnel Deutschlands. Die Nordröhre blieb Bunker, diente als Fluchtweg. 1985 wurde ein Musikclub daraus. Dieses dunkle Loch durfte bis 2012 für Liveauftritte nützlich sein, aber auch für Partys wie dem Gaytunnel mit Darkroom – dann war Schluss, weil Stuttgart 21 sich die Rockröhre geschnappt hat.

Auch Rammstein trat im Stuttgarter Tunnel auf

Von Jan Delay bis zu Fantas, von den Ärzten bis zu Element of Crime – so viele traten hier auf, bevor sie den Sprung in große Hallen schafften. Im Dezember 1995 spielte die Band Rammstein – gerade war ihr Debütalbum „Herzeleid“ erschienen – in der Röhre. Bei „Wollt ihr das Bett in Flammen sehen?“ donnerte die Stimme von Till Lindemann zu einpeitschenden Rhythmen durch den Subway: „Sex ist eine Schlacht, Liebe ist Krieg!“

Auch bei Element of Crime ist die Liebe ein beständiges Thema. Denn nur die Liebe ist unvergänglich, wie Sven Regener mit poetischer Kraft klarmacht. Im Song „Im Himmel ist kein Platz mehr für uns zwei“ heißt es: „Frag’ mich nicht, ob ich Dich noch liebe. / Das Herz endlich gebrochen, und Spaß dabei. / Und alles geht immer irgendwie weiter./Im Himmel ist kein Platz mehr für uns zwei.“ Und was ist mit der Röhre? Ein himmlischer Platz in den Herzen ihrer Fans ist ihr gewiss!

Infos

Jazz Open
Das Festival Jazz Open in Stuttgart geht noch bis zum kommenden Sonntag. Für alle Konzerte auf dem Schlossplatz gibt es noch Karten.

Stuttgart-Album
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