Als „Glanzpunkt für Stuttgart“ hat OB Manfred Rommel 1978 die Calwer Passage gerühmt. Jetzt soll sie wieder glänzen. Das grüne Bauprojekt soll mit architektonischer Wucht ins Zentrum des Stadtlebens rücken. Ein Blick zurück auf frühere Kämpfe ums Viertel.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Neues Leben erwacht in der Calwer Passage und am Calwer Platz. Die vertraute Glaskuppel, die unter Denkmalschutz steht, ist geblieben. Doch ansonsten erkennt man dieses Quartier mit der spektakulären Grünfassade nicht wieder, in dem bis Ende des Jahres nach und nach immer mehr Geschäfte eröffnen. Die glasüberwölbte und filigrane Ladenpassage, die auf einem edlen Marmorboden fußt, sollte vor 44 Jahren ein bissle große Welt nach Stuttgart bringen. Aus Kübeln goss es, als im August 1978 die Bürgerschaft die nagelneue, zukunftsweisende Passage sowie die sanierte und damit gerettete Calwer Straße mit einem Eröffnungsfest gefeiert hat. Angesichts des Sommerregens wurden die Reden in die damalige Fußgängerunterführung (in den heutigen S-Bahnhof Stadtmitte) verlegt. Glücklich waren trotzdem alle. Ihren Namen verdankt die Straße dem 1836 abgebrochenen Calwer Tor.  

 

„Eine winzige Insel in einem trostlosen Stadtbrei“

OB Manfred Rommel sah Stuttgart glänzen, und Lothar Späth lobte als neuer Ministerpräsident „die formidable Privatinitiative“ – Bauherr war die Allgemeine Rentenanstalt. Stuttgarts Glasgalerie nach Luxus-Vorbildern in Mailand, London und Paris sei „eine winzige Insel in einem trostlosen Stadtbrei“, schrieb ein Architekturkritiker.  Aus vielen Länder kamen Touristen und Architekten zum Staunen,  Schwärmen und Shoppen.

Im 15. Jahrhundert war dieses Viertel als „obere und reiche Vorstadt“ angelegt worden. In den 1970ern quälten sich Autos durch die enge Calwer Straße, deren Häuser zum Teil marode und dringend sanierungsbedürftig waren. Einige Giebelhäuser hatten Krieg und Nachkriegswirrnisse überstanden. Dem vereinten Kampf von Denkmalschützern, engagierten Bürgern und nicht zuletzt den Appellen unserer Zeitung war es zu verdanken, dass sich in der Allgemeinen Rentenanstalt ein Unternehmen fand, das bereit war, 55 Millionen Mark zu investieren und die historische Substanz zu retten. Andere Hauseigentümer zogen mit.

Bis 1956 fuhr die Straßenbahn auf der Calwer Straße

Die Architekten Kammerer, Belz und Partner, Gewinner des Wettbewerbs, setzten auf Harmonie von alt und neu. Einige Häuser wurden renoviert, andere abgerissen. Man rekonstruierte Fassaden oder entwarf sie neu. Wo viele Jahre Autos im Stau standen, bis die Calwer Straße zur Fußgängerzone wurde, sitzen heute die Menschen im Sommer draußen – das Quartier hat sich zu einem kulinarischen Treffpunkt mit südländischem Flair entwickelt. Kaum zu glauben, dass hier noch bis 1956 die Straßenbahn fuhr.

Unter dem Glasdach der Ladenzeile ging es in ihrer 44-jährigen Geschichte auf und ab. Die Geschäftsleute der einst feinen Flaniermeile fühlten sich von der City zunehmend abgehängt. Wechsel, Leerstände und nachlassende Kundenströme wirkten sich negativ auf die Attraktivität des Gebäudeensembles aus.

Im Jahr 2013 wurde die Calwer Passage unter Denkmalschutz gestellt. Investor Ferdinand Piëch hat sie von der Württembergische Lebensversicherung, der letzten Eigentümerin, trotzdem gekauft. Im November 2014 öffnete er die frühere Luxus-Adresse für alternative Läden nach dem Pop-up-Prinzip. Das Ende war abzusehen. Es sollten dreieinhalb Jahre werden, bis das beliebte, zunächst nur für das Weihnachtsgeschäft geplante Fluxus aufhören musste. In der etwas anderen Einkaufsmall hatte sich ein munteres Nachtleben abgespielt.

Viertel will sich vom Stadtzentrum mit Filialisten abheben

Jetzt beginnt ein neues  Kapitel in der Geschichte der Calwer Passage. Mit insgesamt 22 kleinteiligen Einzelhandelsgeschäften und innovativen Gastrokonzepten will sich das Viertel Passage bewusst von den Haupteinkaufsstraßen mit großen Filialisten abheben. . „Zusammen mit den umliegenden Geschäften und Lokalen in der Calwer Straße bildet die neue Calwer Passage wieder ein ganz besonderes Quartier zum Bummeln und Einkaufen in der Stuttgarter Innenstadt“, erklärt Eigentümer Ferdinand Piëch. Dass die neue Calwer Passage wie bereits die alte in den 1970ern viele Gäste von auswärts anlockt, liegt nicht zuletzt an der ökologische Grünfassade,  ein Pionierprojekt des grünen Städtebaus in Deutschland.

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