Beim Presseball treffen sich die Spitzen des Landes. Das gesellschaftliche Topereignis war immer ein Spiegelbild seiner Zeit. Wir blicken zurück – auf Kurioses, Künstler, Kleider. Für die 62. Ausgabe am 8. November bekommen unsere Abonnenten ermäßigte Karten.
Als der Reporter der „Abendschau“ im November 1961 beim großen Tanz in der Liederhalle Theodor Heuss sah, der von 1949 bis 1959 der erste Bundespräsident war, freute sich der SDR-Journalist über „Prominenz“ beim zweiten Landespresseball nach dem Krieg. „Ich hasse das Wort Prominenz“, entgegnete der Liberale bestimmt und fuhr freundlich fort: „Aber wenn Sie schon das Wort gebrauchen, will ich den Hörern mitteilen, was Prominenz ist. Prominent sind die, die noch was sind, und die meisten, die glauben, dass sie was sind, und die erwarten, dass man sie dafür hält.“
Zur Prominenz zählte zweifelsohne der Stargast 1961 auf der Bühne: Die legendäre Tänzerin Josephine Baker – sie war damals 55 Jahre alt – begeisterte das Publikum. Heuss soll danach gesagt haben, was die Kamera nicht festgehalten hat: „Des war also die Schosephfine Becker, die isch doch früher im Friedrichsbau mit ma Bananeröckle auftrete. I war x-mal drin, aber des Bananeröckle isch net verrutscht.“
1976 trat die Damenband Lady Birds oben ohne auf
Nein, verrutscht ist in den Anfangsjahren des Stuttgarter Landespresseballs in der Liederhalle nichts, zumindest nicht sichtbar. Wer die alten Aufnahmen sieht, erkennt, wie dezent und sittsam es auf dem gesellschaftlichen Parkett zuging. Man feierte aber länger als heute. Der gastronomische Leiter erklärt, das Personal arbeite bis 7 Uhr morgens.
64 Jahre Landespresseball – das ist ein Spiegelbild der jeweiligen Zeit: 1976 trat die Damenband Lady Birds gar oben ohne auf. 1977 fiel nach dem Mord an Hanns Martin Schleyer der Ball aus. Weil alles schon organisiert war, zählte man ihn mit, anders als die in der Pandemie ausgefallenen Veranstaltungen. 2007 verfügte Schirmherr Günther H. Oettinger ein Tanzverbot, als er bemerkte, dass der Ball am 9. November stattfand, am Jahrestag der Pogromnacht.
Beim 40. Landespresseball begeisterte Udo Jürgens – am Ende trug er wie gewohnt den Bademantel. Aber auch Caterina Valente, Daliah Lavi, die Kessler-Zwillinge und Margot Werner stehen auf der Liste der Stargäste in 64 Jahren.
Am Freitag, 8. November, ist beim 62. Ball der Vollblutkünstler und einzigartige Entertainer Kelvin Jones der Top Act. Mit seinem Song „Call you home“ wurde er weltberühmt.
Die glanzvolle Tradition des Presseballs, der erst seit 1960 durchnummeriert wird, geht auf königliche Zeiten zurück. Seinen Ursprung hat er im Jahr 1911.
Der Ball fand damals an verschiedenen Orten statt, etwa im Königsbau, in der Liederhalle sowie im Kunstgebäude. Der württembergische König Wilhelm II. war stets dabei, also schon damals feierte der ranghöchste Vertreter der Gesellschaft mit, wie dies auch heute noch der Fall ist, wenn dem Ministerpräsidenten der erste Tanz gehört.
1872 fand der erste deutsche Presseball in Berlin statt
Der erste deutsche Presseball fand am 9. März 1872 als Wohltätigkeitsfest des Vereins Berliner Presse zugunsten Not leidender Journalisten statt und erbrachte einen „Reingewinn“ von 450 Reichsmark. Ziel der Presseleute war, ihre gesellschaftliche Stellung und den Kontakt zu Politik und Verwaltung zu verbessern. Noch heute gehen der Erlös des Balls und der Tombola über den Sozialfonds der Landespresse Baden-Württemberg an Medienbeschäftigte in Not.
Beim ersten Landespresseball in der Liederhalle nach dem Krieg im November 1960 betrug der Eintritt 25 D-Mark. Wilhelm Schöneck, der damalige Regierungspräsident von Nordwürttemberg, schickte die ihm übersandte Einladung mit der Bemerkung zurück, 25 Mark seien ihm als Eintritt zu teuer. Darüber berichtete „Der Spiegel“. Hauptgewinn der ersten Tombola war 15 Jahre nach Kriegsende ein VW Käfer. Aber auch über einen Kühlschrank und eine Polstergarnitur freuten sich die Gewinner im aufblühenden Wirtschaftswunderland.
1965 hatten die Presseleute in der Ballzeitung „Journaille“ eine Fotomontage gebracht, die Yvonne Klett, die Frau des damaligen Oberbürgermeisters Arnulf Klett, neben der „Liegenden“ vor der Staatsgalerie zeigt. „I fend, er hot mi ganz guet troffa“, ließ eine Sprechblase die Gute sagen. Das war zu viel für Arnulf Klett. So wütend war der Rathauschef, dass junge Helfer die beanstandete Seite in allen 2000 Exemplaren einzeln herausreißen mussten.
Aufregung über ein Foto der Oben-ohne-Band
Das wohl größte Blitzlichtgewitter der Ballgeschichte gab’s im Jahr 2008: Da stellte Ministerpräsident Günther H. Oettinger, damals 55 Jahre alt, seine neue Freundin, die Hamburger PR-Unternehmerin Friederike Beyer, damals 30, erstmals der Öffentlichkeit vor. Wer die alten Fotos des Presseballs sieht, staunt über das Blumenmeer, das sich in der Liederhalle oft ausgebreitet hat, und über die Höhe der Bühne zum Tanzparkett.
Als 2017 unser Geschichtsprojekt Stuttgart-Album an den Auftritt der Lady Birds erinnerte, die in den 1970ern beim Auftritt im Silchersaal Gitarre trugen und sonst nichts, hat sich gezeigt: Auch in der heutigen, angeblich so freizügigen Zeit ist ein Foto von Oben-ohne-Musikerinnen für Aufregung gut. Facebook schmiss die Administratoren des Stuttgart-Albums raus und verlangte von ihnen, die Löschung des Artikels zu akzeptieren. Erst danach sei man bereit, sie wieder zurück ins soziale Netzwerk zu lassen. Sogleich wurde in der Stadt diskutiert: Gibt’s Zensur ausgerechnet beim Ball der Medien? Greift Facebook in die Pressefreiheit ein? „Hätte die Redaktion ein Hakenkreuz auf die Brustwarzen der Ladybirds gemacht, wäre das bestimmt kein Problem gewesen“, schreib ein Spötter in den Kommentaren.
Karten zu ermäßigten Preisen für unsere Abonnentinnen und Abonnenten
Auch bei den Abendroben zeigt sich der Wandel der Zeit. In den Anfangsjahren sah man viele Herren mit Frack und weißer Fliege. Bei den Damen dominierten damals Weiß und Schwarz, viele trugen dezent getürmte Hochfrisuren. An den Tischen im Beethovensaal ist zum Essen heftig geraucht worden. Später wurden die Kleider immer bunter, glamouröser, pompöser.
Für den 62. Landespresseball am 8. November, 19.30 Uhr, gibt es für Abonnentinnen und Abonnenten unserer Zeitung Karten zu ermäßigten Preisen unter: https://zeitung-erleben.de/event/landespresseball-2024/.