Der Verkauf von Glühwein in der City war verboten, startbereite Stände mussten abgebaut werden: Der Stuttgarter Weihnachtsmarkt hat zwei harte Jahre hinter sich. Zur Rückkehr am Mittwoch blicken wir auf eine lange Tradition zurück.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Wenn die Stuttgarter einst sagten, sie gingen „auf die Mess“, war der Weihnachtsmarkt beim Rathaus gemeint. Auf den alten Reklamemarken aus dem Jahr 1912, die unser Leser Wolfgang Müller sammelt, steht unter einem gezeichneten Marktbild: Weihnachts-Messe Stuttgart. Im Facebook-Forum des Stuttgart-Albums hat Gusti Schäfer geschrieben: „Solange ich denken kann, sind wir zur ,Mess‘ gegangen Die Bezeichnung Weihnachtsmarkt kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg auf.“ Angefangen hat alles mit Ochs und Esel – also mit einem Viehmarkt. Die erste urkundliche Erwähnung ist auf das Jahr 1692 datiert. Damit ist der Stuttgarter Weihnachtsmarkt nicht nur einer der schönsten und größten Weihnachtsmärkte Europas, sondern auch einer der ältesten.

 

Im Sortiment: Seidene Hüte, Haaröl und Basler Konfekt

Zum Viehmarkt, der im Herbst stattfand, kamen nicht nur Tierhändler, sondern auch Seiltänzer, Zauberer, Gaukler und Tierdresseure. Nach und nach rückte der Herbstmarkt an Weihnachten heran. Vieh verkaufte man nicht mehr, als die „Schwäbische Chronik“ 1835 den Markt beschrieb: „Die Händler kommen von weit her, wie der türkische Handelsmann Raubenmajor. Angeboten werden Damenbeinkleider, Galoschen, seidene Hüte, superfeine und ordinäre Hemden, Zivil- und Militärkrawatten, Haaröl, Pomade, englische Nähnadeln, holländische Waffeln und Basler Konfekt.“

In seiner wechselvollen Geschichte ist der Weihnachtsmarkt nicht nur in der Corona-Krise gestrichen worden. Auch wegen Kriegsunruhen, unsicherer Wege oder grassierender Seuchen musste er immer wieder ausfallen. Im 17. Jahrhundert sicherte man auswärtigen Beschickern „sicheres Geleit für Leib, Hab und Gut“ zu. Die Stadt durfte Zölle und Standgelder kassieren, musste im Gegenzug die Tag- und Nachtaufsicht übernehmen und Stände bereitstellen. Marktmeister waren im Einsatz, um als zu überwachen. Als Entlohnung erhielten sie täglich zum Baren einen „Morgen- und Zwischentrunk“.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts feierten Rasierapparate, Modelleisenbahnen und Grammofone Premiere auf dem Markt. Dennoch dominierten weiterhin Geschirr, Kleidung und Hausrat. Selbst in den Kriegsjahren fand der Weihnachtsmarkt jährlich statt. Allerdings musste aus Mangel an Arbeitskräften und Treibstoff auf die Aufstellung eines Weihnachtsbaumes verzichtet werden.

Bis in die 1970er war der Weihnachtsmarkt auf den Marktplatz beschränkt

Es gab Strohsterne, bemalte Tannenzapfen, Kerzen aus Rindertalg. Aus geschmolzenem Zucker, von Lebensmittelkarten abgespart, sind mit selbst gemachtem Sirup bunte Bonbons entstanden. Kreativ und mit einfachen Mitteln haben die Händlerinnen und Händler nach Kriegsende festliche Stimmung erzeugt und Wünsche geweckt. Die Stadt lag noch in Trümmern - und die Sehnsucht nach Träumen war riesengroß, die Händler mit einfachen Holztischen unweit vom alten Rathausturm zu erfüllen versuchten.

Bis in die 1970er war das Treiben auf den Marktplatz beschränkt. Da standen Klapptische mit Planen als Dach. Der damalige Marktleiter Lothar Breitkreuz ließ die alten Stände durch einheitliche Holzbuden mit aufwendiger und glanzvoller Dekoration ersetzen – der Schillerplatz kam hinzu. Die Verschönerung hat den Tourismus beflügelt.

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