Noch ist der Park der Villa Berg ein Park der Zäune und Bagger. Weil man Schadstoffe gefunden hatte, werden die Fernsehstudios erst jetzt abgerissen – später als geplant. Die Neugestaltung einer grünen Oase folgt dem historischen Vorbild.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Kronprinz Karl und seine Olga spazierten einst durch einen Park mit herrlicher Rundumsicht. Auf dem Plateau eines früheren Weinbergs befindet sich die Villa Berg, die der Thronfolger von König Wilhelm für sich und seine Frau, einer Zarentochter, im Stil der italienischen Neo-Renaissance hatte bauen lassen. Ihre prunkvolle Sommerresidenz im Osten der Stadt besaß im 19. Jahrhundert einen goldenen Ballsaal, in dem sich Majestäten zu Walzerfreuden trafen.

 

Lang, lang ist her’s. Dieser besondere Ort, um den jahrelang gekämpft wurde, steht für den schwierigen Umgang von Stuttgart mit seiner Geschichte als königliche Residenzstadt. Der frühere OB Fritz Kuhn (Grüne) war stolz darauf, dass es gelang, das heruntergekommene Baudenkmal, das zum Objekt der Spekulanten geworden war, samt den bald größeren Parkanlagen für die Stadt zurückzukaufen.

Die Villa soll zu einem „offenen Haus für Musik und mehr“ werden

Wer den historisch bedeutsamen Hügel besucht, stößt vor allem auf eines: auf Absperrungen. Noch ist der Park der Villa Berg ein Park der Zäune und Bagger. Rings um die 1962 in die Tiefe gebauten Fernsehstudios sind Zäune gezogen – zum Teil in zwei Reihen. Von den Fenstern der ebenfalls abgesperrten Villa Berg schauen Dunja Rajter, Harald Schmidt und weitere Künstler zu, als würden sie darüber wachen, dass es endlich nach den Verzögerungen vorangeht. Die Fotos der „Gäste im großen Sendesaal“ hängen am einstigen Kronprinzenstolz, aus dem – so hat es der Gemeinderat nach der Bürgerbeteiligung beschlossen – „ein offenes Haus für Musik und mehr“ werden soll.

Im Kaufvertrag zwischen der Stadt und dem früheren Eigentümer, dem Düsseldorfer Unternehmen PDI, steht, dass die Fernsehstudios, in denen Nobelpreisträger Samuel Beckett in den 60ern gedreht hat, bis Ende 2020 abgerissen sein sollten. Weil man im ober- und unterirdischen Gebäude Schadstoffe fand, mussten das Entkernen und der Abbruch verschoben werden. Der neue Plan sieht vor, dass die Kellerräume von Mai an verfüllt werden und mit der Renaturierung im November begonnen wird. Der Park wird in Anlehnung an das historische Vorbild saniert – eine 1:1-Rekonstruktion ist nicht möglich.

Gastronomische Nutzung soll „zurückhaltend“ sein

Für die Bauarbeiten sind sieben Bäume gefällt worden. Von Herbst 2022 an werden im Park sieben neue Bäume gepflanzt. Die Anlagen sollen zu einem „Ort der Ruhe und Erholung“ werden, so steht es auf den Absperrungen. „Ruhige, freizeitorientierte Aktivitäten“ wie Schachspiel und Yoga sind erlaubt, die gastronomische Nutzung muss „zurückhaltend“ sein.

Zar Alexander führte hier 1857 Friedensgespräche mit Kaiser Napoleon. Nach dem Tod von Königin Olga erbte Herzogin Wera von Württemberg die Villa und lebte dort bis 1912. Deren Töchter verkauften 1915 das Gebäude samt Park für knapp drei Millionen Mark an die Stadt Stuttgart. Seit dieser Zeit war der Park frei zugänglich. Zunächst brachte man verwundete Soldaten in der Villa unter. Danach zog die Städtische Gemäldegalerie ein.

Nach dem Krieg bekam der SDR das von Bomben schwer beschädigte Baudenkmal von der Stadt im Tausch für die Karlshöhe, die dem Sender gehörte.

Stuttgart und seine Tauschgeschäfte

Ohne Genehmigung ließ der SDR das Haus umbauen, was heute Denkmalschützern die Zornesröte ins Gesicht treibt. Undenkbar wäre auch, dass der Sender Teile des Parks mit fünf Fernsehstudios zubaut. 1962 war Richtfest. 2007 verkaufte der SWR die zur Last gewordene Villa Berg an Investor Rudi Häussler. Er wollte mitten im Park Luxuswohnungen und ein Sterne-Restaurant bauen. Damit begann ein „Kuhhandel“. 2013 beschloss die Stadt, den Bebauungsplan doch nicht für die Wohnbebauung zu verändern.

Stuttgart und seine Tauschgeschäfte: Am Ende verkaufte die Firma PDI, deren Miteigentümer nach der Insolvenz von Häussler die Liegenschaft übernommen hatte, das Areal zurück an die Stadt. Dazu waren die Investoren bereit, weil sie im Gegenzug von der Stadt ein Gelände an der Sickstraße für Wohnungen bekamen.

Ein neues Zuhause für mehrere Tiere

Während die TV-Studios jetzt abgerissen werden, was wegen des Terrassen- und Kellerbaus sehr kompliziert ist, bleibt der Gutbrod-Bau mit dem hellen Dach aus den 1950ern erhalten, wenige Schritte von der Villa entfernt – er steht unter Denkmalschutz wie der Park und das einstige Palais von Karl und Olga als Gesamtensemble. Geht alles nach Plan, sollen 2025 die Zäune hier oben endgültig fallen, weil dann alles fertig ist. Stuttgart käme damit zu einem neuen Naherholungsgebiet.

Ein neues Zuhause soll die Grünoase auch für eine Vielzahl von Tieren werden. Auf den Zäunen sieht man die Bilder der künftigen Bewohner. Fledermäuse wie der Abendsegler sind dabei, Vögel wie der Gartenbaumläufer, Schmetterlinge wie der Hauhechlbläuling. Und wer darf noch in Untermiete beim Berg-Park? Der Juchtenkäfer! Den kennt man in Stuttgart gut.

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