Mit einer neuen Generation an Triebwagen startet eine geliebte Tradition in die Zukunft. Die Zacke weckt Kindheitserinnerungen. Aus Anlass der Umstellung auf moderne Fahrzeuge blicken wir zurück auf die Historie der rollenden Aussichtsplattform.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Wenn Stuttgart Zähne zeigt, offenbart sich auf der fahrenden Aussichtsplattform die Schönheit der Stadt. Seit 1884 klettert die Zahnradbahn auf Filderhöhen hinauf. Stramm bergauf führt der Weg, während es ruckelt und quietscht. Die kerzengerade Verbindung ist immer die kürzeste. Schwaben kommen am liebsten direkt ans Ziel, ohne lange Umwege. An steilen Zähnen mangelt es in Stuttgart nicht. Es sind die Zähne für eine nostalgische Bergbahn, die eine Steigung von bis zu 17,8 Prozent mühelos schafft und von ihren Fahrgästen liebevoll „Zacke“ genannt wird.

 

Weltberühmt ist Stuttgart als Schmiede für Autos. Was viele nicht wissen: Die Stadt ist nicht nur die Heimat von Mercedes und Porsche, sondern auch einer technischen Meisterleistung vergangener Zeiten, die hilft, Hügel in wenigen Minuten zu erklimmen. In den ersten Jahren kam die Bahn dampfend nach oben, seit 1902 ist das Gefährt elektrisiert – das einzige seiner Art, das noch heute dem Berufsverkehr dient, nicht nur Touristen erfreut. Schon immer ging’s nach Degerloch, das seit 1908 zu Stuttgart gehört.

Nur an der Wielandshöhe gibt’s zwei Spuren

„Hinauf zu Sonne und Licht – mit der Zahnradbahn!“ – so warben in den 1930ern die Stuttgarter Straßenbahnen (sie hatten die Filderbahn von der Stadt gekauft) für die Panoramafahrt. Auf der Hälfte der Strecke, der sogenannten Ausweiche, treffen sich Berg- und Talbahn bei der Wielandshöhe. Nur hier gibt es zwei Spuren. Schon vor acht Jahrzehnten konnte man sich an dieser Stelle im Lokal stärken. Der Halbliterkrug mit Dinkelacker-Märzen kostete 38 Pfennig, die Ochsenzunge mit Spätzle 1,50 Mark. „Beachten Sie“, stand auf der Rückseite der Speisekarte, „daß Sie ab Wielandshöhe bis Schlossplatz für 15 Pfennig fahren können.“

Wer gewinnt beim Wettrennen zwischen Rad- und Autofahrer?

Würden in unseren Tagen ein Radfahrer und ein Autofahrer am Marienplatz zu einem Wettrennen bis zum Degerlocher Albplatz aufbrechen – es würde immer der Radfahrer gewinnen. Denn er kann seinen Drahtesel auf dem Vorstellwagen der Zacke festzurren. In elf Minuten ist die Bahn der Linie 10 oben angekommen, obwohl sie sich nur langsam, ja würdevoll mit maximalem Tempo 30 km/h vorwärtsbewegt. Sie muss keine Umwege wählen wie der Autofahrer, der sich durch den Stadtverkehr mit roten Ampeln plagt. Der gemütlich zuckelnde Gipfelstürmer nimmt die steile Abkürzung. Mit den neuen Triebwagen können künftig 20 Fahrräder, doppelt so viele wie bisher, nach oben befördert werden.

„Cleverly Hills“, wie Stuttgart dank Hügeln und Cleverness zuweilen genannt wird, ist die Partnerstadt im Geiste von San Francisco. Die Magie der Topografie verbindet beide Metropolen. 282 Meter hoch ist der höchste Hügel der Weltstadt an der amerikanischen Westküste – der Stadtteil Degerloch im Weltstädtle Stuttgart liegt 448 Meter über dem Meeresspiegel. Was in Kalifornien der Cable Car ist, ist bei uns die Zacke.

Wo Erfindertum und Kultur aufeinander treffen

Die Zahnradbahn hat sogar ein ganz besonderes, öffentlich zugängliches Schlafzimmer. Die letzte Talfahrt (abends um 20.45 Uhr) führt stets in das Theater Rampe, wo Erfindertum und Kultur aufeinander treffen. Die Schienen ziehen sich durchs Foyer. Während auf der Bühne mit Gleisanschluss gespielt wird, ruht sich die Zacke für den nächsten Tag aus. Ein reines Depot der Straßenbahnbetriebe reicht im Cleverle-Länd nicht aus, man schickt gleich noch Schauspielkunst dazu. Jetzt geht’s mit neuen Triebwagen nach oben – eine geliebte Tradition wird modern fortgesetzt.

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