Das Landgericht hat zwei Männer verurteilt, die sich mit Lügen Zutritt zu den Wohnungen älterer Menschen verschafft und die Opfer dann bestohlen haben. Einen 70-jährigen Mann hatten die Täter zusammengeprügelt.

Stuttgart - So Gott es wolle, werde jeder von uns einmal älter, sagt Jasmin Neher-Klein, Vorsitzende Richterin der 17. Strafkammer des Landgerichts. Und je älter man sei, desto schutzwürdiger sei man. „Und wer solche Personen gezielt hereinlegt oder gar verletzt, muss sich nicht wundern, wenn er hart bestraft wird“, so Neher-Klein weiter.

 

Die Ansprache der Richterin wendet sich an zwei 26 und 29 Jahre alte Brüder. Die Angeklagten hatten mit einem Komplizen von März bis Juni vergangenen Jahres rund ein Dutzend ältere Menschen bestohlen. In einem Fall geriet der geplante Diebstahl völlig außer Kontrolle, das Opfer wurde schwer verletzt.

Die Männer waren mit Lügen an den Wohnungstüren der betagten Opfer angetreten. Sie gaben vor, sie müssten die Heizung oder den Stromzähler überprüfen. Sie logen, sie hätten unschlagbar günstige Strom- oder Gaslieferungsverträge im Angebot. Auch tolle TV-Kabelverträge wurden zum Schein angeboten. So kamen sie in die Wohnungen der Opfer, wo ein Täter die Geschädigten in ein Gespräch verwickelte, während sein Komplize in den Zimmern alles abräumte, was es wert schien zu stehlen.

Ein Täter stellt sich der Polizei

So fielen den Männern Bargeld, Schmuck, Münzsammlungen und EC-Karten, oft mit Geheimnummer, in die Hände. Das älteste Opfer war eine 90 Jahre alte Frau, die die Männer im März 2018 in Botnang heimgesucht hatten. Sie stahlen 500 Euro in bar und Goldschmuck.

An der Hackstraße im Stuttgarter Osten erbeuteten sie eine EC-Karte, mit der der Komplize der Brüder Mitte Mai 2018 dann 900 Euro an einem Geldautomaten abhob. Dabei war der 26-jährige Mann gefilmt worden. Irgendwie muss dieser Täter von Gewissensbissen geplagt worden sein. Er stellte sich der Polizei – und packte aus. Er benannte das Brüderpaar mit Namen und gab darüber hinaus Taten zu, die gar nicht aktenkundig waren.

Die 19. Strafkammer verurteilte diesen Mann schließlich zu vier Jahren und zehn Monaten Gefängnis. Durch die Angaben des Mannes wurden die Ermittler dem portugiesischen Brüderpaar habhaft, das jetzt vor der 17. Strafkammer stand. Doch zu Beginn des Prozesses hatten sich die Angeklagten aufs Schweigen verlegt.

„Das Ganze ist eine sehr ernste Angelegenheit, denken Sie klug nach“, hatte Richterin Neher-Klein den Brüder mit auf den Weg gegeben. Schließlich habe man die Aussage des bereits verurteilten Komplizen. Zudem seien Fingerspuren des 29-Jährigen an einem Tatort sichergestellt worden. „Es ist nicht so, dass wir keine Beweise hätten“, sagte die Richterin. Wenn es aber sein müsste, würde man alle Opfer als Zeugen hören.

Schwere Frakturen im Gesicht

Die Verteidiger Kai-Jörg Brintzinger und Stefan Weiler traten die Flucht nach vorn an – ihre Mandanten legten Geständnisse ab. „Das hat einen Strafrabatt zur Folge gehabt“, so die Richterin.

Am Ende wurde der 29-jährige Mann, der nur an wenigen Taten beteiligt gewesen war und nicht vorbestraft ist, zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Sein 26-jähriger, vorbestrafter Bruder wurde mit sechs Jahren und sechs Monaten Gefängnis belegt. Er habe sich seine früheren Bewährungsstrafen nicht zur Warnung dienen lassen, sagt die Richterin.

Vor allem der Vorfall am 11. April 2018 schlug bei der Strafzumessung besonders zu Buche. Damals waren die Täter zum zweiten Mal bei einem 70 Jahre alten Mann an der Reinsburgstraße in der Innenstadt vorstellig geworden. Zuvor hatten sie aus seiner Wohnung Goldmünzen im Wert von knapp 4800 Euro gestohlen. Sie wollten mehr. Dieses Mal ließ sich der ältere Mann aber nicht austricksen. Der 26-Jährige schlug ihn daraufhin zu Boden, ein Komplize setzte sich auf den Senior, die anderen Täter durchwühlten die Wohnung. Der Geschädigte erlitt schwere Frakturen im Gesicht.