Xavier Thiery, Wirtschaftsredakteur der „Dernières Nouvelles d’Alsace“ ist eine Woche zu Gast bei der Stuttgarter Zeitung. Er erkundet die Stadt mit einem Leihfahrrad.

Stuttgart - Es gibt nichts Angenehmeres, als eine Stadt mit dem Fahrrad zu entdecken und zu erleben. Umso mehr in der Sommersaison. Man bewegt sich umweltfreundlich, schneller als zu Fuß und unabhängig von den Verkehrs- und Parkbedingungen. Erstaunlicherweise erleichtert dieses Verkehrsmittel unglaublich die Kontakte zu den Anwohnern.

 

Zuhause in Straßburg bin ich fast jeden Tag mit dem Rad unterwegs. Also war es für mich undenkbar, in Stuttgart – im Elsass bekannt als eine Landeshauptstadt, die für nachhaltige Mobilität wirbt –, nicht in die Pedale zu treten.

Aus ästhetischen Gründen und als Fahrradliebhaber hatte ich überhaupt keine Lust, ein wie ein Motorrad aussehendes Bike mit dem Schriftzug DB, wie sie überall in Zentrum die Touristen anlocken, zu mieten. Ein Leihrad zu bekommen, war aber keine einfache Sache. Dank Internet habe ich am Ende ein 24-Gänge-Cityfahrrad bei einem Verleiher gefunden, der einem das Zweirad sogar vorbeibringt.

Die Zacke bringt das Fahrrad nach Degerloch

Seitdem verläuft der kürzeste Weg von meinem Hotel in der Nähe des Feuersees bis zur StZ-Redaktion im Möhringer Pressehaus vorbei an der Karlshöhe, wo Hopfengeruch die Luft erfüllt, bis zum Marienplatz. Dort steige ich in die Zacke ein, die nicht nur eine wunderbare Aussicht über den Talkessel bietet, sondern auch mein Fahrrad umsonst nach Degerloch hinaufbringt. Nette Leute in der Möhringer Fahrrad-Service-Station, ein Sozialunternehmen der Diakonie, haben mir eine Radfahrkarte geschenkt, damit ich ohne Routenplaner- App den Weg finde. Glücklicherweise, denn in einigen Stadtbezirken fehlt es an Schildern, die fremde Besucher auf den richtigen Radweg weisen.

Die Rückfahrt abwärts über die Dornhalde fordert dann aber gute Bremsen. Nachdem ich eine Großmutter mit einem Retro-Kinderwagen überholt habe, nehme ich mir die Zeit, die märchenhafte Eierstraßen-Siedlung in Heslach zu bewundern. Wunderbar!

Abfahrt in der Abendsonne

Während meines kurzen Aufenthalts in Stuttgart konnte ich auch noch meine Sportlichkeit prüfen, als ich den Killesberg und weiter bis zum Kräherwald hochgefahren bin. Für Radpendler ist hier ein Pedelec ohne Zweifel notwendig! Bei Abendsonne war die Abfahrt Richtung Bosch-Areal, auf leeren und kurvigen Straßen, ein richtiges Vergnügen, bei dem man ordentlich Druck auf den Ohren spürt.

Ich bin aber am meisten durch das Stadtzentrum gefahren, wo ich beobachten konnte, dass Radler es nicht immer leicht haben, im Gegensatz zu Autofahrern, überhaupt wenn es Lücken im Radwegenetz oder Baustellen gibt. Zurzeit müssen Radler und Fußgänger manchmal große Umwege machen. Auch beim Überqueren der Ringstraßen muss man Geduld haben.

Schade, dass es immer noch so kompliziert ist, sein eigenes Rad in den Fernzügen, ob in Frankreich oder Deutschland, mitzunehmen. Statt ein Verleihrad zu nutzen, könnte ich mir vorstellen, das nächste Mal in Stuttgart mit einer alter „Schwalbe“ herumzufahren. Ich habe ja mindestens drei von diesen sympathischen alten Ost-Motorrollern in diesen Tagen gesehen.