Stuttgart: Ausstellung zu Rausch und Alkohol Trinken macht den Menschen Spaß
Wenn es um Alkohol geht, kann eigentlich jeder Erwachsene mitreden. Aber schafft es die Ausstellung „Berauschend“ im Alten Schloss Stuttgart trotzdem spannend zu sein?
Wenn es um Alkohol geht, kann eigentlich jeder Erwachsene mitreden. Aber schafft es die Ausstellung „Berauschend“ im Alten Schloss Stuttgart trotzdem spannend zu sein?
Eigentlich sollte es mühelos gelingen. Wer in seinem Leben schon Tausende Male seinen Schlüssel ins Schlüsselloch gesteckt hat, der sollte die Handgriffe im Schlaf beherrschen. Und doch: Ein paar Bier zu viel –und schon wird die Angelegenheit zur motorischen Herausforderung. Was am nächsten Morgen vergessen ist, kann man nun mit klarem Geist erproben. Im Landesmuseum Württemberg simuliert eine Brille den vernebelten Blick und lässt nachvollziehen, warum man das Schlüsselloch nach durchzechter Nacht so schwer findet.
„Berauschend“ nennt sich die neue Ausstellung im Stuttgarter Alten Schloss, die nicht nur „15 000 Jahre Bier und Wein“ nachzeichnet, sondern auch all die Ambivalenzen und Abgründe ins Visier nimmt, die mit dem Thema Alkohol verbunden sind. Denn in einem „Hochkonsumland“ wie Deutschland, wo der Mensch im Durchschnitt eine Badewanne voller Alkohol pro Jahr leert, geht es zwangsläufig um mehr als nur ein Stück Kultur. Die Tatsache, dass in den siebziger Jahren in einem Playmobil-Set zum Straßenbau nicht nur Schubkarre und Schaufel mitgeliefert wurden, sondern selbstverständlich auch Bierkästen, spricht Bände.
Es macht aber einfach Spaß, Alkohol zu trinken – daran lassen die Fotos von Marcos Alberti keinen Zweifel. Er hat für sein „Wine Project“ seine Freunde nüchtern und zunehmend betrunken fotografiert - und die Porträtserien zeigt eindrücklich, wie eher ernst wirkende junge Leute immer enthemmter lachen. Um das zu wissen, braucht man an sich kein Museum. Trotzdem ist diese große Sonderausstellung im Alten Schloss äußerst sehenswert geraten, weil sie mit extrem vielen Facetten überrascht. Je tiefer man eindringt in das Thema, desto spannender wird es.
Getrunken wurde immer – und offenbar auch in allen Kulturen dieser Welt. Schon 3200 vor Christus gab es im heutigen Irak bereits Kneipen, in denen Frauen Bier brauten. Im Alten Ägypten sorgten die Hinterbliebenen dafür, dass die hohen Herrschaften sogar nach ihrem Tod nicht darben mussten. Deshalb gab man ihnen steinerne Dienerfiguren mit ins Grab, die die Verstorbenen bekochen und mit reichlich Bier versorgen sollten. Die alten Griechen leerten bei ihren Symposien riesige Weingefäße, um später beschwipst und laut durch die Nacht zu ziehen. Die Kelten tranken „Cervesia“. Und das Christentum propagierte den maßvollen Konsum von Wein oder besser: dem Blut Christi.
Dass das Maßhalten aber nicht immer gelingt, das wusste man schon im 3. Jahrhundert vor Christus, was die Skulptur „Trunkene Alte“ beweist. Konkret führt der Suff zu Schäden an Herz, Magen oder auch am Gehirn, so eine der bitteren Wahrheiten der Ausstellung. Trotzdem kommt die Schau keineswegs moralinsauer daher, sondern schlicht informativ. Denn mitunter genügen Zahlen: Der übermäßige Alkoholkonsum kostet die deutsche Bevölkerung 57 Milliarden Euro pro Jahr – während die Alkoholsteuer gerade mal drei Milliarden in die Staatskasse spült.
Auf einem Display kann man sich anzeigen lassen, wie viel oder wenig Alkohol am Tag ratsam ist. Als Frau ist schon ein halber Liter Bier zu viel. Für eine Schwangere dagegen ist es jeder einzelne Tropfen. In Videos berichten Mütter, mit welchen Behinderungen ihre Kinder ihr Leben lang werden kämpfen müssen, weil die Mütter während der Schwangerschaft Alkohol getrunken haben. 10 000 Kinder kommen allein in Deutschland pro Jahr mit Folgeschäden auf die Welt.
Aber es sind nicht nur solche Seitenblicke, die „Berauschend“ interessant machen, sondern auch manch faszinierendes Ausstellungsstück. Es ist zwar nur eine Kopie, aber das 4000 Jahre alte Modell einer Werkstatt zeigt, wie in Ägypten fleißige Männer die Brötchen formten – und dass damals in Bäckereien auch Bier gebraut wurde. Sehenswert ist auch die „Buhl’sche Krippe“ aus dem 18. Jahrhundert, bei der mit Puppen in den tollsten Barockkleidern die Hochzeit zu Kana dargestellt wurde. Dann wieder entdeckt man ein winziges altbabylonisches Terrakottarelief, das eine Sexszene zeigt. Die Frau scheint sich den Akt schöntrinken zu wollen – und süffelt nebenher Bier durchs Trinkrohr.
Es ist bemerkenswert, wie geschickt die Kuratoren Fabian Haack und Janina Rösch die richtige Balance gefunden haben zwischen heutigen Aspekten und den historischen Objekten, zu denen der Zugang angenehm leicht gemacht wird. So wurde zum Beispiel eine Münze von 1630 in groß nachgebildet, damit man die Schrift lesen kann: „In diesem Jahr von Most sehr gut all Kelter überlauffen Thut“.
Damit ermöglicht der Rundgang durchs Alte Schloss nicht nur einen differenzierten Blick auf das gesellschaftliche Schmiermittel Alkohol, sondern man ist am Ende auch um manche Information reicher und weiß nun auch, dass das keltische Trinkhorn, das im Grab von Hochdorf gefunden wurde, stattliche 6,8 Kilogramm auf die Waage bringt – und also nur trinken konnte, wer stark genug war.
Eine gute Nachricht gibt es auch nebenbei: Bier macht nicht dick. Dass man es trotzdem wird, liegt nicht am Alkohol, sondern daran, dass Bier Appetit auf Deftiges und Üppiges macht und nebenbei auch die Fettverbrennung hemmt.
Eröffnung
Die Ausstellung „Berauschend“ wird an diesem Freitag, 21. Oktober, um 19 Uhr eröffnet. Am Wochenende ist der Eintritt in die Sonderschau frei. Außerdem gibt es zwischen 12 und 18 Uhr im Foyer Dürnitz auch Probierstationen mit alkoholischen und nicht-alkoholischen Getränken und Pralinen von regionalen Manufakturen und Brauereien.
Besuch
„Berauschend“ läuft bis zum 30. April 2023 und ist jeweils von Dienstag bis Sonntag zwischen 10 und 17 Uhr geöffnet und an Donnerstagen zwischen 10 und 19 Uhr.