Ein gekündigter Ingenieur, der bei einer Firma in Backnang beschäftigt war, erstreitet sich vor dem Arbeitsgericht in Stuttgart 20 000 Euro als Abfindung. Die Verhandlung vor dem Kadi erinnert an einen Basar im Morgenland.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Stuttgart/Backnang - Ein klein bisschen geht es an diesem Spätvormittag zu wie auf einem orientalischen Basar. Die Akteure sind indes nicht irgendwo im Morgenland, sondern mitten in Stuttgart – im Saal 105 des Arbeitsgerichts. Dort streitet ein 44-jähriger Ingenieur mit seinem ehemaligen Arbeitgeber, einem Konstruktionsbüro aus Backnang. Die Verhandlung, die die Richterin Annette Scholl routiniert leitet, wird mehrmals unterbrochen. Dann eilen die Kontrahenten aus dem Raum und besprechen sich mit ihren Anwälten. Nach diesen kürzeren Pausen geht es dann im Saal weiter. Ein Vorwurf, eine Entgegnung – und noch einmal raus auf den Gang.

 

Nach der letzten Unterbrechung kommt der Kläger, der zunächst vorgebracht hatte, er kämpfe für eine Wiedereinstellung, in den Verhandlungssaal, grinst und sagt: „Die Sache ist erledigt.“ Knapp eine Stunde Kuhhandel und man hat sich geeinigt. Nun steht fest, wie viel Geld der verlorene Job als Konstruktionsleiter, den der 44-Jährige nur eineinhalb Jahre bekleidet hat, wert ist: brutto 20 000 Euro. Das ist die Abfindung, auf die sich die Parteien verständigen.

Der Ingenieur bekommt von seinem Ex-Arbeitgeber ein gutes Zeugnis, in dem unter anderem steht, dass ihm betriebsbedingt gekündigt worden sei. Genau dagegen hatte er sich zunächst allerdings heftig gewehrt. Nach seiner ersten Aussage sei er Mitte Februar mir nichts, dir nichts rausgeschmissen worden. Weil er es gewagt hatte, einem Vorgesetzten zu widersprechen. Kurz vor der Verhandlung hatte er auf Nachfrage erklärt, sein Chef habe ihn auf dem Gang abgepasst und ihm spontan „aus wichtigem Grund“ gekündigt. Erst später in der Begründung sei von einer betriebsbedingten Kündigung die Rede gewesen. Das Auftragsvolumen sei im ersten Quartal dieses Jahres dramatisch eingebrochen, das war laut der Aussage des Klägers die nachgeschobene Begründung.

Die Richterin bemängelt in der Verhandlung, dass es schwer sei, dieser Argumentation zu folgen, denn das Quartal ende schließlich erst am 31. März. Die Kündigung indes sei bereist am 19. Februar ausgesprochen worden. Zudem sei bereits Anfang Mai wieder ein neuer Mitarbeiter eingestellt worden. Es wäre möglich gewesen, den Konstruktionsleiter, dessen Stelle im Unternehmen tatsächlich gestrichen worden ist, als Konstrukteur weiterzubeschäftigen. Der Anwalt des Unternehmens sagt, der Ingenieur hätte allenfalls als technischer Zeichner eingesetzt werden können. Zudem widerspricht er dem Vorwurf, ein Zeuge des Klägers, der ebenfalls in dem Betrieb arbeitet, sei unter Druck gesetzt worden. Angeblich soll dem Mann, falls er zu Gunsten des 44-Jährigen aussage, mit Entlassung gedroht worden sein.

Der zweite, ehrenamtliche Richter, Marc Hentschke, fragt den Kläger gegen Ende der Verhandlung: „Wollen Sie denn dort überhaupt noch arbeiten?“ Der Ingenieur antwortet nicht , doch es wird schnell deutlich: nein, das will er wohl nicht. Es geht nur noch um die Höhe der Abfindung. 10 000 Euro werden brüsk abgelehnt. Nach dem Gefeilsche einigt man sich schließlich auf die besagten 20 000 Euro.

Die Richterin muss kein Urteil sprechen, und die Kontrahenten ersparen sich den Gang in die zweite Instanz. Gerichtskosten fallen für den Kläger und die beklagte Firma keine an. Jede Partei muss nur die eigenen Anwaltskosten tragen. Als die Verhandlung geschlossen ist, freut sich der auf Arbeitsrecht spezialisierte Anwalt des Klägers, Frank Jansen aus Bad Herfeld, ganz offenkundig mehr als sein Gegner. Das Mandat habe ihm rund 3500 Euro eingebracht, den Großteil davon trage die Versicherung des Ingenieurs.

Die Akteure verabschieden sich aus dem Saal 105. Die Richterin wünscht dem Gekündigten viel Glück bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Er antwortet: „Ich habe zwei Jobs in Aussicht.“ Das Ende eines für ihn offenkundig ganz guten Deals.