Maria Procopio feiert ihn ihrer Änderungsschneiderei 25-jähriges Bestehen. Die Italienerin hat zahlreiche Stammkunden.
Bad Cannstatt - Als Maria Procopio 1989 mit ihrem Mann Rocco und ihren Kindern aus Italien nach Deutschland kam, hatte sie keine große Perspektive. Die ausgebildete Schneiderin arbeitete bei einer Putzfirma, ab und an half sie zudem in Bad Cannstatt in einer Änderungsschneiderei aus. „Am Anfang war die Sprache das größte Problem“, sagt die 56-Jährige. Bei der italienischen Mission habe sie einen Deutschkurs gemacht, außerdem seien ihre beiden Töchter, damals zwei und vier Jahre alt, jeden Tag mit neuen Wörtern nach Hause gekommen. „Mir ist es immer wichtig gewesen, dass ich mich mit den Leuten unterhalten kann. Perfektes Deutsch werde ich nie sprechen, aber ich lerne jeden Tag etwas dazu.“ Damals hätte sie sich nie vorstellen können, sich wenige Jahre später selbstständig zu machen.
Genauer gesagt am 1. September 1994: Die Schneiderin, der sie immer wieder zur Hand gegangen ist, wollte zurück in die Heimat nach Griechenland und machte ihr das Angebot, ihren Laden zu übernehmen. „Nicht nur finanziell ein großer Schritt für uns“, so Procopio. Letztlich entschied sie sich jedoch, ihn zu wagen und zog mit ihrer Familie in die kleine Änderungsschneiderei in der Reichenhaller Straße 23. „Geschickt war, dass sie an eine Wohnung angeschlossen war, die wir gleich mit mieten konnten. Wir waren sowieso auf Wohnungssuche und konnten das so kombinieren.“ Die größte Herausforderung sei zunächst die Abrechnung gewesen. „Die Steuern und der Kontakt zum Finanzamt. Glücklicherweise hat mir die Vorbesitzerin geholfen, mich eingelernt und mir gezeigt, wie man unter anderem das Kassenbuch führt. Jetzt mache ich das mit verbunden Augen.“
Reich ist sie nicht geworden
Reich sei sie auch nach 25 Jahren in der Änderungsschneiderei nicht geworden. „Aber ich kann meine Versicherungen, die Rechnungen und das Essen bezahlen. Und am Monatsende freue ich mich, wenn noch etwas übrig bleibt.“
Ihr Ziel sei es, ehrlich zu den Kunden zu sein. „Wenn sich Änderungen oder Reparaturen nicht mehr lohnen, sage ich das immer direkt. Viele hängen aber an ihrer Kleidung und lassen die Arbeiten dennoch durchführen.“ Schön sei, dass quasi kein Auftrag dem anderen gleicht. Einige Kunden begleite sie nun schon fast ein Leben lang: „Als sie noch Kinder waren, habe ich ihre zerrissenen Jeans geflickt und den kaputten Reißverschluss ersetzt, später das Kleid oder den Anzug für den Abschlussball oder die Hochzeit angepasst oder auch schon Gardinen für die Wohnung genäht beziehungsweise Tischdecken angefertigt.“
Grundsätzlich habe sich im vergangenen Vierteljahrhundert in Procopios Arbeitsalltag wenig verändert – die Kundschaft schon. Ältere Stammkunden seien leider ins Altersheim gekommen oder verstorben, „dafür kommen mittlerweile immer mehr junge Leute zu mir“, sagt die 56-Jährige. Großen Anteil daran habe ihre älteste Tochter Valentina, die ihren Internetauftritt betreut. „Das zahlt sich wirklich aus.“ Ihr Laden sei mittlerweile über die Grenzen Bad Cannstatts hinaus bekannt. Ausschließlich positive Bewertungen bei Google sprechen für ihre Arbeit.
Obwohl ihre Kinder in der Schneiderei groß geworden sind, werden sie den Betrieb wohl nicht übernehmen. Die mittlerweile 33- und 35-jährigen Töchter gehen ihren eigenen Weg. „Darauf bin ich sehr stolz“, sagt Maria Procopio. Sie kann auch ausschließen, dass sie, wie ihre Vorgängerin, Deutschland irgendwann den Rücken kehren wird. Sie habe den Großteil ihres Lebens in Stuttgart verbracht und nicht in ihrer Heimat Kalabrien. „Ich fühle mich hier zu Hause und sehr wohl. Bad Cannstatt ist meine Gegend.“