In unserer Serie „Mein 2017“ sprechen wir mit Menschen, die im vergangenen Jahr etwas Außergewöhnliches erlebt haben. Wir fragen nach, wie es ihnen geht, was sich inzwischen verändert hat und blicken auch ein wenig in die Zukunft. Heute: die Birkacher Pfarrerin Ursula Wilhelm, die am 7. Januar die Gemeinde verlässt.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Birkach - Als Pfarrer ist es nicht einfach, sich zu verwurzeln: Kein Pfarrer bleibt sein ganzes Leben in derselben Gemeinde, im Laufe des Berufslebens sind mehrere Wechsel üblich. Diese Tradition hält die evangelische Pfarrerin Ursula Wilhelm generell auch für eine gute Sache: „Kein Pfarrer ist Pfarrer für alle. Darum ist es gut, dass die Gemeindemitglieder immer wieder einen neuen Pfarrer bekommen.“

 

Für die Theologen persönlich seien diese Wechsel jedoch nicht immer einfach: „Pfarrer verwurzeln sich nie irgendwo richtig. Das kann anstrengend sein. Es ist aber auch ein Teil der menschlichen Realität: Alles ist nur vorübergehend – und auch das Altersheim ist letztlich nicht die letzte Station, sondern nur eine Station vor dem himmlischen Reich“, sagt Ursula Wilhelm.

Ihr Mann wollte schon immer aufs Land

Für die 54-Jährige ist es nun an der Zeit, zu einer neuen Station aufzubrechen: Im Sommer 2017 hat sich Ursula Wilhelm für einen Wechsel entschieden, am 7. Januar 2018 hat die Pfarrerin ihren letzten Gottesdienst in der Franziskakirche, dann wechselt sie in die Gemeinde Obersontheim (Kreis Schwäbisch Hall). Dort wird sie von Mitte Februar an für rund 2440 Gemeindemitglieder in Obersontheim und Bühlertann zuständig sein. In Birkach lässt sie 1651 Gemeindemitglieder zurück.

„Ich bin mehr als 13 Jahre in Birkach gewesen und habe noch 13 Jahre Berufstätigkeit vor mir. Es war klar, dass ich nicht bis zum Ruhestand in Birkach bleiben werde“, sagt sie. Ihr Mann, der als selbstständiger Softwareentwickler arbeite, habe schon länger den Wunsch geäußert, mal „aufs Land zu ziehen“. Bevor die beiden im Jahr 2004 nach Birkach gekommen sind, war Ursula Wilhelm in der Johanneskirchengemeinde in der Daimlerstadt Sindelfingen tätig. Nun geht es weg aus dem Speckgürtel Stuttgarts: Die Gemeinde Obersontheim liegt im Landkreis Schwäbisch Hall und gehört dem Dekanat Gaildorf an.

Im Juni hatte sie sich beworben

„Das pure Land ist das natürlich auch nicht, Crailsheim und Schwäbisch Hall sind sehr nahe“, stellt Ursula Wilhelm klar. Aber etwas anders als in der Landeshauptstadt wird es wohl doch sein. „In Birkach leben viele Menschen, die bei Daimler oder an der Uni Hohenheim arbeiten und nur für eine begrenzte Zeit da sind. Außerdem ist der Wohnraum in Birkach sehr teuer, so dass kaum noch Familien dort ein Haus oder eine Wohnung kaufen.“ Die evangelische Pfarrerin kann sich vorstellen, dass dies in Obersontheim anders ist: „Natürlich leben dort auch viele Pendler – aber die Menschen dort können sich wohl eher vorstellen, dort sesshaft zu werden – allein deshalb, weil bezahlbarer Wohnraum einfacher zu finden ist.“

Im Juni dieses Jahres hatte sich Ursula Wilhelm auf die vakante Pfarrstelle in Obersontheim beworben: „Dann ging alles ganz schnell. Vertreter der Gemeinde kamen her, um sich eine Predigt von mir anzuhören, anschließend hatte ich ein Bewerbungsgespräch.“ Am 8. August, während ihres Urlaubs, wählte der Kirchengemeinderat sie zur neuen Pfarrerin für Obersontheim. „Die Reaktionen in Birkach waren unterschiedlich. Manche Familien habe ich eng begleitet, einige Kinder getauft und konfirmiert – für die ist mein Weggang wohl emotionaler als für andere“, sagt sie.

Liebesgeschichten helfen, um mit Menschen in Kontakt zu treten

In den vergangenen 13 Jahren hat sich Wilhelm immer wieder mit Birkachs Historie beschäftigt: „Geschichte ist ein toller Transport, um mit Menschen in Kontakt zu treten“, sagt sie. So habe sie beispielsweise gerne mit Menschen über die Liebesgeschichte zwischen dem Herzog Carl Eugen von Württemberg und Franziska von Hohenheim – der Namensgeberin der Birkacher Franziskakirche – gesprochen. „Die verheiratete Franziska von Hohenheim ist aus ihrer Ehe und gesellschaftlichen Konventionen ausgebrochen, um eine Beziehung mit Carl Eugen einzugehen.“ Für solche Biografien seien Kinder und Erwachsene immer empfänglich.

Für ihren letzten Gottesdienst am Sonntag, 7. Januar, plant Ursula Wilhelm kein großes Brimborium: „Ich freue mich einfach, noch einmal den Menschen zu begegnen, die ich in den letzten Jahren erleben durfte“, sagt sie. Bammel vor der neuen Tätigkeit hat sie nicht, ihr Glauben gibt ihr Halt: „Das Leben ist voller Bruchstücke. Ich muss daraus kein vollständiges Bild machen, das macht Gott für mich“, sagt sie.