Im März dieses Jahres ist es in Stuttgart-Degerloch zu einer Messerattacke gekommen. Zwei Männer stehen deshalb vor Gericht. Es könnte ein weiterer Angeklagter dazukommen.
Stuttgart - Auf der Waldau in Degerloch wäre im März dieses Jahres fast ein junger Mann durch ein Gewaltverbrechen zu Tode gekommen. Der 21-Jährige überlebte lebensgefährlich verletzt.
Jetzt stehen zwei 19 und 20 Jahre alte Männer vor der 4. Jugendstrafkammer des Landgerichts. Sie sollen das Opfer attackiert haben, weswegen ihnen versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen werden. Wenn es nach Anwältin Franziska Rückert geht, die den 20-Jährigen verteidigt, sitzt bald ein dritter Mann auf der Anklagebank.
Bei der Auseinandersetzung am Abend des 4. März handelte es sich offenbar um einen Streit unter Afghanen, die unterschiedlichen Volksgruppen angehören. Ob man sich auf der Waldau gezielt getroffen hatte oder ob es eine Zufallsbegegnung war, ist unklar. Die Angeklagten wollen vorerst keine Angaben zur Sache machen.
Ein Angeklagter soll Zeugen bedroht haben
Die Staatsanwältin trägt vor, die zwei Männer und rund ein halbes Dutzend Begleiter hätten das spätere Opfer in Degerloch attackiert. Der 21-Jährige sei geflohen, jedoch nach rund 60 Metern gestürzt. Am Georgiiweg sei er eingeholt worden. Der 20-Jährige habe ihn festgehalten, der 19-Jährige habe dem Mann zweimal mit einem Messer mit 15 Zentimetern Klingenlänge zweimal in die Brust gestochen. Dann sollen die Angeklagten und deren Begleiter das Opfer geschlagen und getreten haben. „Gegen den Körper und den Kopf“, so die Staatsanwältin. Der 21-Jährige, dessen Lunge getroffen wurde, überlebte nur knapp.
Der mutmaßliche Messerstecher, der als Wohnort Feuerbach angibt, hatte sich am Tag nach dem Vorfall der Polizei gestellt. Sein Mitangeklagter wurde indes erst drei Wochen später ausfindig gemacht und festgenommen. Vor seiner Verhaftung soll er am Stuttgarter Hauptbahnhof einen Mann bedroht haben, der bei dem Überfall auf der Seite des Opfers dabeigewesen war.
Dieser Zeuge solle seine Aussage ändern. Wenn der Mann, der sich gestellt hatte, nicht aus dem Gefängnis komme, dann gebe es „Stress“. Deshalb wirft die Staatsanwältin dem 20-jährigen Angeklagten zusätzlich versuchte Nötigung vor.
Der 20-Jährige sagt, er sei 1376 geboren
Verteidigerin Rückert stellt den Antrag, den Prozess auszusetzen. Ihre Begründung: Vor zwei Wochen sei ein weiterer Verdächtiger festgenommen worden. Rückert will, dass dessen Verfahren mit dem vorliegen Verfahren verbunden wird. „Eine gemeinsame Verhandlung ist zwingend gegeben“, so die Verteidigerin. Das sei zeitlich machbar, da der jetzige Prozess ohnehin erst am 24. September fortgesetzt werden soll. Die Kammer werde darüber beraten, so die Vorsitzende Richterin Cornelie Eßlinger-Graf.
Der Mandant Rückerts löst bei der Strafkammer aber erst einmal Verwirrung aus. In seinem Asylverfahren soll er drei verschiedene Geburtsdaten angegeben haben. „Da war ich verwirrt, müde und kaputt“, lässt er übersetzen. Auf die neuerliche Frage der Vorsitzenden Richterin, wann er denn geboren sei, sagt er: „Am 1. April 1376 – nach islamischer Zeitrechnung.“ Der Dolmetscher für die Sprache Paschtu hilft schließlich und stellt klar, der Mann sei 1998 geboren.
In Afghanistan gibt es viele rivalisierende Ethnien. Die etwa 26 Millionen Einwohner stammen aus 19 Volksgruppen, die nur die islamische Religion gemeinsam haben. Die Paschtunen sind die größte Gruppe. Daneben gibt es Hasaren, Usbeken, Turkmenen, Kirgisen, Kasachen und Belutschen. Ob darin der Grund für die Auseinandersetzung liegt, wird der Prozess – vielleicht – zeigen.