In unserer Serie „Mein 2017“ sprechen wir mit Menschen, die im vergangenen Jahr etwas Außergewöhnliches erlebt haben. Wir fragen nach, wie es ihnen geht, was sich inzwischen verändert hat und blicken auch ein wenig in die Zukunft. Heute: Margit Gratz, die seit Oktober 2017 das katholische Hospiz Sankt Martin in Degerloch leitet.

Degerloch - Als interessant und abwechslungsreich beschreibt Margit Gratz das vergangene Jahr 2017. Ein kurzes Jahr war es für sie – zumindest ihre Zeit in Stuttgart. Erst seit Oktober leitet die 45-jährige als Nachfolgerin von Angelika Daiker das Hospiz Sankt Martin in Degerloch. „Dort kann ich meine berufliche Erfahrung zum Wohl des Hauses einsetzen.“

 

Der Entscheidung, die Stelle im Hospiz anzutreten, sei ein Abwägungsprozess vorausgegangen. „Die Frage war, ob ich den Schwerpunkt auf die wissenschaftliche Arbeit lege oder auf eine Einrichtung der Begleitung und Versorgung von Menschen“, sagt Gratz. Auf beiden Gebieten ist sie erfahren. Sie war nach ihrem Theologie- und Mathematikstudium zum Beispiel an der Professur für Spiritual Care am Klinikum für Palliativmedizin in München-Großhadern tätig. Spiritual Care ist eine wissenschaftliche Disziplin an der Grenze zwischen Medizin, Theologie und Krankenhausseelsorge. Darüber hinaus hat Gratz in ambulanten Hospizen gearbeitet.

Während einer Auszeit in Südamerika hat sie neue Perspektiven gewonnen

Die Entscheidung fiel am Ende deutlich für die Begleitung aus. „Hier kann ich mehr bewirken“, sagt Gratz. Gleichzeitig fordert die Aufgabe sie heraus. Die Arbeit in einem stationären Hospiz ist neu und setzt mehr Kenntnisse auf anderen Gebieten voraus, betriebswirtschaftliche zum Beispiel.

Vor dem Neuanfang in Stuttgart hat sich Gratz eine längere Auszeit genommen. Sie ist durch Südamerika gereist und hat eine neue Perspektive auf ihr Leben gewonnen. „Die kulturellen Unterschiede sind groß, das war beeindruckend.“ Kulturelle Unterschiede sieht sie auch in Deutschland. Nach Tätigkeiten in Hamburg und Münster ist die Station in Stuttgart eine Art Heimkehr. „In Stuttgart versteht man bayerisch“, sagt die geborene Münchenerin. Dabei nimmt man ihren Dialekt kaum wahr.

Ihre neue Heimatstadt konnte Gratz bisher nur oberflächlich erkunden. Seit ihrem Amtsantritt im Oktober hat sie alle Hände voll zu tun. „Immerhin habe ich schon einen Stadtführer.“ Eilig habe sie es ohnehin nicht, denn einige Jahre sollen es in Stuttgart schon werden. In diesen Jahren will sie ihre Vorstellungen für das Hospiz verwirklichen. Erst einmal will Gratz dafür sorgen, dass kranke und sterbende Menschen so gut versorgt werden wie bisher. Darüber hinaus will sie noch mehr Menschen für die Arbeit im Hospiz begeistern – sei es im Haupt- oder im Ehrenamt. Sie will den finanziellen Grundstock des Hauses durch Spenden stärken und die Kooperation mit Partnern ausbauen.

Die Arbeit erfordert eine andere Art der Führung

Gratz selbst sieht sich dafür gewappnet. Im Hospiz habe sie es mit Mitarbeitern aus dem Haupt- und Ehrenamt gleichermaßen zu tun. Das sei ein Spannungsfeld und erfordere eine Art der Führung, die anders ist als diejenige, die in Wirtschaftsunternehmen gefragt ist. Anders sei auch die Rolle der Einrichtung. „Hospiz ist ein gesellschaftlicher Auftrag einer ganzen Region.“

Diesen Auftrag soll mittelfristig auch das Trauerpastorale Zentrum fördern. Das ist ein Projekt, dessen Leitung die Theologin seit Januar innehat. Das Zentrum könnte nach der Vorstellung von Gratz eine Art Lotsenfunktion für Menschen erfüllen, die plötzlich mit Themen wie Tod und Bestattung zu tun haben. „Es könnte Orientierung dabei geben, wo ich was in Stuttgart finde“, sagt Gratz. Darüber hinaus soll das Zentrum Personen ansprechen, die sich vorsorglich mit dem Thema auseinandersetzen wollen. Und es soll alle Menschen miteinander vernetzen, die beruflich mit diesem Komplex zu tun haben, seien es Juristen oder Sozialarbeiter.

Das Trauerpastorale Zentrum ist jedenfalls kein Projekt, das Margit Gratz nebenbei erledigt. Es hat beträchtlichen Anteil an ihrer neuen Aufgabe. Was am Ende dabei herauskommt, kann Margit Gratz sagen, wenn sie in zwölf Monaten auf das Jahr 2018 zurückblickt.