Die vermieteten Zimmer an der Reutlinger Straße in Stuttgart-Degerloch werden geräumt. Doch ist das Problem damit gelöst?

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Degerloch - Das Thema musste in der Bezirksbeiratssitzung aufs Tapet kommen, liefert es doch seit Wochen Gesprächsstoff in Degerloch. Viele Menschen meldeten sich bei Bezirksvorsteher Marco-Oliver Luz, um ihm über die unhaltbaren Zuständen an der Ecke Reutlinger Straße/Hoffeldstraße zu berichten. Eine 86-Jährige besitzt dort zwei Häuser und vermietet Zimmer oder auch nur einzelne Betten beziehungsweise Matratzen an Menschen aus Südosteuropa. Im Hinterhof türmt sich der Sperrmüll, Ungeziefer macht sich breit, die Polizei muss immer wieder wegen nächtlichen Ruhestörungen anrücken. Nachbarn fühlen sich bedrängt, weil sie von den Menschen aus den beiden Häusern angebettelt werden. Und in den Bussen fielen sie unangenehm auf, weil sie keine Maske trugen. Drauf angesprochen, reagierten sie aggressiv.

 

Alle diese Missstände zählte Luz in der Sitzung auf. Es gebe sie schon seit Jahren, seit Herbst 2019 habe sich die Situation aber zugespitzt. „Die Zustände sind in akzeptabel“, stellte Luz klar. Der Bezirksvorsteher telefonierte in den vergangenen Wochen immer wieder mit dem Sozialamt, dem Ordnungsamt, der Polizei und anderen Behörden, um ein gemeinsames Vorgehen festzulegen. Mittlerweile steht fest: Die Gebäude werden geräumt, vermutlich Anfang Oktober. Genauer wollte Luz nicht werden, denn man wolle bei dem Termin keine Schaulustigen haben. Immerhin gehe es um Menschen, betonte Luz. Bei der Räumung werde auch die Polizei zugegen sein. „Wir gehen von einem ruhigen Einsatz aus. Aber wir können natürlich nicht ausschließen, dass es zu einer Gruppenbildung und zu Aggressionen kommt“, sagte der Bezirksvorsteher.

Man könne die Missstände nur lokal beheben, sagt der Bezirksvorsteher

Rechtliche Grundlage für die Räumung ist, dass die Zimmervermietung eine gewerbliche Nutzung und an der Reutlinger Straße nicht zulässig ist. Zudem wird die Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) den Müll entfernen. Die Kosten dafür werden der Eigentümerin in Rechnung gestellt. Darüber hinaus will die Stadt den Menschen, die aktuell dort leben und größtenteils wohl aus Bulgarien und Rumänien kommen, die Heimreise bezahlen, und zwar in Form eines Tickets für den Fernbus. Das sei eine freiwillige soziale Leistung, sagte Marco-Oliver Luz. Die Stadt sei im Falle von Erwachsenen nicht dazu verpflichtet, Ersatzwohnraum bereit zu stellen.

Ungewiss ist freilich, wie es dann weitergeht. Denn die beiden Häuser sind Privateigentum. „Doch eine gewerbliche Nutzung wird es nicht wieder geben“, betonte Luz. Er ergänzte aber auch, dass man die Missstände nur lokal beheben könne. „Wo die Menschen dann hingehen, liegt nicht in unserer Hand.“ Grundsätzlich seien es EU-Bürger, die Freizügigkeit genießen. Ob die Vermieterin mit Konsequenzen rechnen müsse, beispielsweise mit Steuernachzahlungen, konnte der Bezirksvorsteher nicht beantworten. Nur so viel: „Sämtliche Behörden sind informiert und aktiv.“