Bernd Schmitt hat für die Opernschule Otto Nicolais Shakespeare-Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ inszeniert. Die jungen Sänger sind klasse, das Stück hat Patina und Potenzial.

Stuttgart - Da steht er auf einer Treppe, ganz allein, breitet seine Arme weit aus, beginnt zu tanzen und lacht so, dass es einem durch Mark und Bein fährt. Wer vor kurzem „Joker“ im Kino sah, denkt, wenn er am Freitagabend im Wilhelma Theater den mehrfach böse gefoppten Ritter Sir John Falstaff – weißes Gesicht, rote Nase, schwarze Augen und Mund – auf dem Tresen stehen sieht, unweigerlich nicht nur an Leoncavallos „Lache, Bajazzo!“, sondern ebenso an Joaquin Phoenix’ Bösewicht, den die Gesellschaft krank gemacht hat. Auch der gedemütigte Falstaff in Otto Nicolais Shakespeare-Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“, der jetzt in Stuttgart den zerstörerischen Mob auf der Bühne noch anfeuert, könnte als Joker auf eine bigotte Gesellschaft einprügeln.

 

Er könnte. Aber so weit treibt es Bernd Schmitt in seiner Inszenierung von Otto Nicolais „Die lustigen Weiber von Windsor“ für die Opernschule der Musikhochschule nicht. Kurz lässt er mal ein schwules Pärchen von der Bühne jagen, um zu zeigen, wie die gezeigte Gesellschaft mit Randgruppen umgeht, aber schlimmer wird’s nimmer. Schließlich geht es dem Regisseur an diesem Abend um eine komische Oper, der mit Psychologie nicht beizukommen ist, und so spult sich dann vor allem der (ziemlich längliche) erste Akt vor Birgit Angeles bunter Wirtshauskulisse ab. Tür auf, Tür zu, man chargiert ein bisschen, Hände werden gerungen, Grimassen gezogen; immerhin wird klar, dass Falstaff, der gleich zwei Frauen amouröse Anträge macht, ein Außenseiter ist, nach dessen Unbedingtheit und Andersartigkeit man sich zwar sehnt, der am Ende aber zu Fall kommen muss.

Exzellente Sänger, Orchester mit Luft nach oben

Immerhin: Der lustigen Szenen werden zunehmend mehr. Und der Dirigent Bernhard Epstein heizt dem mit Studierenden durchsetzten Stuttgarter Kammerorchester mächtig ein. Dass die Übergänge in der Ouvertüre noch nicht recht glücken und dass auch danach beim Begleiten die letzte Geschmeidigkeit fehlt, wird sich hoffentlich noch geben. Die Gesangspartien sind insgesamt rollendeckend und sehr gut besetzt: Elizaveta Volkova als höhenstarke Frau Fluth, Maria Polanska als warm timbrierte, agile Frau Reich, Sara Yang als farbreich gestaltende Anna, Johannes Frische als ewig eifersüchtiger Herr Fluth und Kabelo Lebvana als spielfreudiger Herr Reich glänzen, und wäre der dynamische Pegel ein wenig niedriger gewesen, hätte sich auch der lyrische Tenor Paul Sutton ein bisschen besser durchsetzen können.

Timo Hannig balanciert als Falstaff packend auf dem schmalen Grat zwischen Naivität und Hybris. Man könnte das Stück auch als Tragödie eines Unangepassten deuten. Das aber wäre eine andere Oper: eine, die nicht schon die Lustigkeit im Titel trüge und bei der uns das Lachen ebenso im Halse stecken bliebe wie neulich im Kino. Einen Versuch wäre es wert, und Patina zum Abkratzen hat Nicolais Oper genug.