Betroffene fühlen sich von der Stadt im Stich gelassen. Sie fordern einen größeren Kanal. Das Tiefbauamt hingegen betont, dass die Kanäle den Anforderungen genügen. Für einen Starkregen sind sie aber nicht dimensioniert.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Das ist eine böse Überraschung gewesen. Als es an Fronleichnam abends nicht mehr aufhören wollte zu regnen, ging Helmut Frey immer wieder hinunter in den Keller. Bis 1 Uhr in der Früh schaute er in regelmäßigen Abständen nach, ob wieder Wasser durch den Abfluss im Boden oder an anderer Stelle hineindrückte. Es blieb trocken, also ging er zu Bett. Doch als er am nächsten Morgen nachschaute, war im Keller wieder Land unter. Für das Ehepaar bedeutete das viel Arbeit. Mit einem Wassersauger, den sie für diese Fälle eigens im Baumarkt gekauft haben, legten sie ihr Haus trocken. Etwa 600 Liter Wasser saugten sie auf. „Der Boden ist zum Glück gefliest. Doch einige der Schränkchen sind Sperrmüll“, sagt Frey. Wenige Tage später das gleich böse Spiel: Wieder dringt Wasser ins Haus.

 

Für Helmut Frey war das Anlass genug, in der jüngsten Sitzung des Bezirksbeirats vorzusprechen. Denn nicht nur er hat Probleme mit einem nassen Keller. Seinen Nachbarn geht es ähnlich. „Das betrifft ganz Dürrlewang bis nach Rohr hoch. Hinter dem Bahndamm ist es am schlimmsten. Da fließt das Wasser gar nicht mehr ab“, sagt der Senior. Er weiß das von Freunden, die nahe dem Festplatz in Rohr wohnen.

Die Betroffenen bleiben auf dem finanziellen Schaden sitzen. Denn es ist Grundwasser, das in die Häuser dringt. „Und für diese Schäden kommt keine Versicherung auf“, sagt Frey. Er hat es versucht, doch alle Versicherungen haben abgelehnt.

2013 haben die Dürrlewanger Unterschriften gesammelt

Frey sieht die Stadt in der Pflicht. Denn das Problem sei der Kanal. Der Stadtteil Dürrlewang entstand Ende der 1950er Jahre. Auch das Abwassersystem ist aus dieser Zeit und wurde seither kaum verändert. „Lediglich ein Kanal nördlich der Herschelstraße wurde gebaut, sodass die Fäkalien von den Häusern an der Herschelstraße 61 und 63 nicht mehr offen in den Graben flossen“, sagt Frey. Der Stadtteil aber sei deutlich gewachsen. Das zeige ein Vergleich von Luftbildern aus den Jahren von 1960 und heute. Frey glaubt, dass der Kanal zu klein dimensioniert ist. Er wohnt seit 1986 in Dürrlewang. „Wir hatten mehr als 20 Jahre keine Probleme mit Wasser in den Kellerräumen, bis gegenüber bei den Häusern der Baugenossenschaft Friedenau der Abwasserkanal saniert und dadurch in den Kellerräumen der Friedenau das Wasser gestoppt wurde. Es kam jetzt mehr Wasser in den Abwasserkanal der Stadt“, sagt Helmut Frey. Das führe dazu, dass mehr Regen außerhalb des Kanals versickere und dadurch das Grundwasser ansteige, vermutet der Senior.

Im Jahr 2013 gab es in Dürrlewang eine große Unterschriftenaktion. Diese blieb nicht ohne Erfolg. Das Tiefbauamt lenkte ein und zog die in regelmäßigen Abständen stattfindende, umfassende Reinigung der Abwasserrohre vor. „Die Stadt hat aber nicht zugegeben, dass der Kanal zu klein ist.“ Danach wurde es besser – bis zu diesem Jahr. „Nun hatten wir aber wieder zwei Mal innerhalb kurzer Zeit Wasser im Keller“, sagt Frey. Seine Forderung: „Der Kanal muss richtig dimensioniert werden.“

Nasse Keller gab es auch im Schulzentrum an der Krehlstraße/Waldburgstraße, zum Beispiel an der Robert-Koch-Realschule. Dort stand das Wasser in den Kunstateliers und im Probenraum im Untergeschoss. „Der Schlagzeugraum ist noch immer nicht nutzbar. Dort steht ein Trockengerät. Der Teppich muss raus. Die Ateliers haben wir in Eigenregie wieder gerichtet“, sagt die Rektorin Nadia Bescherer-Zeidan.

Stadt verweist auf Eigenverantwortung der Hausbesitzer

Ekkehardt Schäfer vom Tiefbauamt widerspricht entschieden, dass die Kanäle in Dürrlewang zu klein dimensioniert seien. Die Stadtverwaltung habe diesbezüglich zwei Pflichten, sagt er: „Wir müssen alle zehn Jahre den Zustand der Kanäle überprüfen und Schäden reparieren. Und wir müssen regelmäßig alle sechs bis sieben Jahre nachrechnen, ob unsere Kanäle noch groß genug sind.“ Letzteres geschehe nach einem bundesweiten Regelwerk.

Das Netz in Dürrlewang sei 2012 zuletzt nachgerechnet und 2014 der Zustand der Kanäle überprüft worden. Schäfers Fazit: „Die Kanäle in Dürrlewang sind groß genug, aber sie sind nicht für ein Starkregenereignis bemessen.“ Das Entwässerungssystem einer Stadt sei aus technischen und wirtschaftlichen Gründen für einen bestimmten „Bemessungsregen“ und damit für eine bestimmte Abflusskapazität dimensioniert. Ein Starkregen hingegen, sei ebenso wie Erdbeben, Blitzeinschläge und Flugzeugabstürze ein sogenanntes Großschadensereignis. „Bei so etwas kann man als Mensch nur zuschauen und sich gegebenenfalls das nächste Mal besser schützen“, sagt Schäfer. Welche Möglichkeiten es dafür gibt, darüber informiere das Tiefbauamt beziehungsweise der Eigenbetrieb Stadtentwässerung in einem Faltblatt.

Richtig sei, sagt Schäfer, dass in Dürrlewang der Grundwasserspiegel relativ hoch sei. Wenn es über einen sehr langen Zeitraum ergiebig regne und die Kanäle das Wasser nicht mehr aufnehmen können, könne der Grundwasserspiegel langsam ansteigen und das Wasser in die Keller drücken. Dieses Problem sei in Dürrlewang bekannt, da es ehemalige Feuchtwiesen seien. Um böse Überraschungen zu vermeiden, müssten die Hausbesitzer daher ihre Gebäude entsprechend abdichten. Das sei aber Sache eines jeden einzelnen und nicht die Aufgabe der Stadt.