Gisela Schelhorn starb allein in einem Cannstatter Krankenhaus. Ihr Sohn, der Fotokünstler Lutz Schelhorn, widmet ihr eine Ausstellung in den Fenstern der Stuttgarter Altstadt.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Eine analoge Ausstellung mitten im Lockdown? Geht das? Der Fotograf Lutz Schelhorn will beweisen, wie eine kulturell ausgehungerte Stadt an Kunst kommt, ohne ins Netz gehen zu müssen. Als Schelhorn die Idee dazu entwickelte – es war vor Weihnachten – lebte seine Mutter Gisela Schelhorn noch. Wieder mal war sie begeistert von ihrem Lutz, auf den sie, je älter beide wurden, immer stolzer wurde. Als der Sohn dem Motorrad- und Rockerclub Hells Angels beitrat, war dies nicht unbedingt das, von dem Mütter träumen. „Aber sie stand immer hinter mir“, sagt er. Lutz Schelhorn, ein gelernter KfZ-Mechaniker, brachte es bis zum Präsidenten der Hells Angels von Stuttgart.

 

„Diese glückliche Jugend hat mich geprägt“

Die Eröffnung der Ausstellung „Fotos im Fenster“, mit der die Straßen der Stuttgarter Altstadt zur Galerie wird, konnte die Mutter nicht mehr erleben. Die am 26. Juli 1937 geborene Gisela Schelhorn ist am 19. Januar allein in einem Cannstatter Krankenhaus gestorben. Wegen Corona durften ihr Sohn, ihre Tochter und die Enkel nicht zu ihr.

Der 61-Jährige hat die Ausstellung im Leonhardsviertel seiner Mutter gewidmet. Im Katalog zu „Fotos im Fenster“ schreibt er: „Meiner geliebten Mutter, die am 19. Januar an Corona verstorben ist, ohne dass wir ihr die Hand halten konnten. Ich danke ihr für ihre Liebe, all die mir eröffneten Möglichkeiten und Freiheiten, sowie für das grenzenlose Vertrauen. Diese glückliche Jugend hat mich geprägt.“ Er hat sich eine Corona-konforme Art ausgedacht, um seine Werke zu zeigen. In der Pandemie bleibt den Menschen nicht viel. Spazieren darf man in kleinen Gruppen – nun kann man mitten in Stuttgart spazieren und dabei auch noch Kultur erleben.

Der Brief war noch verschlossen

Ein Abschied auf Entfernung – dies quält die Angehörigen sehr. Lutz Schelhorn rief jeden Tag im Krankenhaus an und spürte dabei, dass die gestressten Pfleger und Ärzte ihm nicht immer alles sagen konnten, was er wissen wollte. „Ihr Gesundheitszustand ist stabil“, hörte er. Ein Freund der Familie hatte einen Brief an die Mutter geschrieben, in dem stand, wie sehr Gisela Schelhorn von ihren Lieben verehrt wird. Den Brief gab er im Krankenhaus ab und bat, man sollte ihn der Mutter vorlesen. Als die Mutter tot war, fand die Familie den Brief in den persönlichen Sachen, die sie aus dem Krankenhaus bekam – der Brief war noch verschlossen.