Stefanie Sailer-Puritscher, Geschäftsführerin der Bäckerei Sailer, wählt in ihrem Brief an die Landtagsabgeordneten des Wahlkreises Stuttgart drastische Worte. „Wir wissen nicht mehr, wie wir die kommenden Monate überstehen sollen. Die Energiekosten fressen uns auf. Bitte helfen Sie uns!“, schreibt sie am 6. September. Weiter betont sie, dass die Politik offenbar noch nicht realisiert habe, dass das Bäckerhandwerk zu den energieintensiven Branchen gehört. „Die Preise für Rohstoffe und für Strom, Erdgas und Heizöl steigen in einem Ausmaß, wie wir es noch nie erlebt haben“, so Sailer-Puritscher. Das betreffe nicht nur ihren Betrieb, sondern auch Lieferanten und Kunden. „Und deshalb können wir unsere Preise kaum anheben.“
Die Diplom-Betriebswirtin erinnert an das Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck, besonders betroffenen Unternehmen unter die Arme zu greifen. „Diese Unterstützung kommt jedoch nicht bei uns an. Denn das Bäckerhandwerk ist, obwohl es energieintensiv und als systemrelevant anerkannt ist, vom Energiekostendämpfungspaket ausgeschlossen“.
Die Bäckerei besteht seit 1931
Die Familie Sailer betreibt das Unternehmen bereits seit 1931, mittlerweile in der dritten Generation. An 13 Standorten in den Stadtbezirken Bad Cannstatt, Münster, Mühlhausen und Feuerbach sind 120 Mitarbeiter beschäftigt. Angestellte, denen man ein gutes Gehalt zahlen wolle. „Die Frage ist nur, wovon?“ Aufgrund der steigenden Kosten für Heizöl – aus gebäudetechnischen Gründen werden die Öfen mit dem flüssigen Brennstoff und nicht mit Gas betrieben – und Strom sei an Gewinn sei derzeit nicht mehr zu denken. „So kann es nicht weitergehen, wir können nicht ständig drauflegen. Wir hangeln uns gerade von Monat zu Monat“, sagt Sailer-Puritscher, die betont, dass es kaum Spielraum für Preiserhöhungen gebe, da man sich immer auch in Konkurrenz zu Supermärkten beziehungsweise Discountern befinde. An Kunden könne man die Kostensteigerungen dementsprechend nur sehr begrenzt weitergeben.
„Wir haben bereits zwei große Photovoltaikanlagen auf dem Dach und einen voll- elektrischen Lieferwagen bestellt, sprich wir tun was für die Energiewende. Trotzdem gehen die Energiepreise durch die Decke“, sagt Sailer-Puritscher. „Es geht nicht nur um unser Unternehmen. Es geht auch um die Familien unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und um unsere Kunden und die Stadtteile. Unsere Bäckereien sind für alle oben genannten ein gesellschaftlicher Ankerpunkt. Wir brauchen konkrete Unterstützung und Hilfe, damit wir weitermachen können. Deutschland besteht nicht nur aus Industrieunternehmen im internationalen Wettbewerb.“
Existenzängste im Handwerk
Der FDP-Landtagsabgeordnete Friedrich Haag hat auf das Schreiben reagiert und der Bäckerei Sailer am Dienstag einen Besuch abgestattet. „Wir müssen das Bäckerhandwerk genauso wie viele andere Handwerksbetriebe unterstützen“, sagt er. „Es kann nicht sein, dass regionale mittelständische Unternehmen Angst um ihre Existenz haben müssen“, so Haag. Den CDU-Bundestagsabgeordneten Maximilian Mörseburg hat der Brief der Bäckerei Sailer ebenfalls erreicht, auch er hat sich in der Backstube, die an der Gemarkungsgrenze zwischen Münster und dem Hallschlag liegt, ein Bild gemacht. „Die Existenzängste von Handwerk und Mittelstand sind noch nicht vollends bei der Bundesregierung angekommen“, sagt der Christdemokrat. „Insbesondere für die Bäcker braucht es ein Programm, nachdem Sie im Energiekostendämpfungsprogramm der Ampel vergessen wurden. Nicht jede Teuerung kann vom Staat ausgeglichen werden, aber vor allem kleine Betriebe dürfen dieses Mal nicht durchs Raster fallen. Insbesondere dürfen Verbraucher und Betriebe aber nicht noch zusätzlich durch eine völlig fehlgeschlagene Gasumlage belastet werden.“