Eine Bürgerin hinterlässt der Stadt Stuttgart eine halbe Millionen Euro. Solcher Geldsegen ist kein Einzelfall. Doch um die Erbschaften muss die Kommune manchmal auch gerichtlich kämpfen.

Stuttgart - Die Geschichte erinnert an Friedrich Dürrenmatts „Besuch der alten Dame.“ Eine Frau wandert in die Vereinigten Staaten aus, und es erfüllt sich ihr amerikanischer Traum. Mit einem großen Vermögen kehrt sie aus USA in ihre alte Heimatstadt zurück. Sie ist alleinstehend und hat keine Kinder.

 

Doch damit endet die Analogie zum Drama des Schweizer Dramatikers. Denn anders als Claire Zachanassian nutzte eine reiche Stuttgarterin ihre Vermögen nicht, um ihre alte Heimatstadt ins Verderben zu stützen. Stattdessen vermachte sie im Februar 2011 ihr gesamtes Vermögen in Höhe von 540 000 Euro der Stadt. Der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats hat beschlossen, die Alleinerbschaft anzutreten. Wie im Testament der Gönnerin vorgesehen, soll die Hälfte des Geldes an das Stuttgarter Hospiz gehen, die anderen fünfzig Prozent werden künftig der Betreuung krebskranker Kinder im Olgahospital zugute kommen.

Über die Hintergründe der großzügigen Tat lässt sich wenig herausfinden. Der Testamentvollstrecker will die Persönlichkeit der Frau schützen. Sie sei scheu gewesen und habe gewünscht, dass ihre Privatsphäre gewahrt bleibt. Nur so viel deutet er an. Es gäbe einen Bruder. Doch das Zerwürfnis zwischen den Geschwistern sei so groß gewesen, dass die Schwester ihr Geld lieber der Stadt vermacht hat.

Stadt wird pro Jahr ein- bis zweimal als Alleinerbin eingesetzt

Die Landeshauptstadt profitiert – wie andere Kommunen auch – regelmäßig vom Auseinanderbrechen engster Verwandtschaftsbeziehungen. Ein- bis zweimal im Jahr kommt die Stadt in den Genuss einer Alleinerbschaft. In einigen Fällen gibt es tatsächlich keine Familienangehörigen und keine engen Freunde, sagt Franz Blahusch von der Stadtkämmerei. In anderen Fällen handelt es sich um einen Familienzwist, der nie beigelegt worden ist. „Natürlich spielt für viele auch die Verbundenheit mit der Heimatstadt eine Rolle und der Wunsch, sich über den Tod hinaus für das Allgemeinwohl einzusetzen“, sagt Blahusch. Oft sei es ein Mix an Motiven, der zu einer solchen Entscheidung führt, erläutert der Mitarbeiter der Stadtkämmerei.

Die Bandbreite der Erbschaften ist groß. „Wir erleben alles von 50 000 Euro bis zu einer Millionen Euro“, sagt Blahusch. Im Jahr 1994 floss das Vermögen der verstorbenen Kaufmannsbrüder Rudolf und Hermann Schmid in eine von der Stadt verwalte Stiftung. Mit dem Betrag von damals 110 Millionen Mark wurden unter anderen ein Seniorenzentrum und eine Kindertagesstätte gebaut. „Das war schon ein ungewöhnlicher Fall“, sagt Franz Blahusch.

Ungewöhnlich sei es allerdings auch nicht, dass die Stadt um eine Erbschaft kämpfen muss. Sind doch noch Angehörige vorhanden, gibt es oft ein juristisches Nachspiel. „Viele fechten dann das Testament vor Gericht an, und manche kommen auch damit durch“, sagt Franz Blahusch. Letztlich hängt es dann von der Justiz ab, ob der letzte Wille der Einsamen und Zerstrittenen erfüllt wird.