Das Aktionsbündnis Recht auf Wohnen hat auf dem Erwin-Schoettle-Platz gegen hohe Mieten und eine in seinen Augen falsche Stadtpolitik protestiert. Der Ort war aus mehreren Gründen ein symbolträchtiger.
Stuttgart - Das war eine Steilvorlage: Jüngst ist bekannt geworden, dass Stuttgart nach einer Auswertung von Immobilienexperten die bundesweit teuerste Großstadt für Mieter ist. Und just am Samstag richtete das Aktionsbündnis Recht auf Wohnen auf dem Erwin-Schoettle-Platz eine Kundgebung zum Thema „Wohnraum statt Profite“ aus.
Das Bündnis hat sich 2016 gegründet und besteht laut dem Sprecher Paul von Pokrzywnicki aus Einzelpersonen, aus Mitgliedern der „Fraktion“ im Gemeinderat, der Mieterinitiativen, von Verdi oder Asylkreisen. Mit etwa 100 Teilnehmern hatte man bei der Demo gerechnet, etwa doppelt so viele kamen. Sie schwenkten „Besetzen“-Fahnen und hielten „Luxushotels zu Frauenhäusern“-Schilder hoch.
Politik für Investoren
Hauptkritik: zu wenig bezahlbarer Wohnraum, stattdessen eine Politik für Investoren – „Raubritter“, wie der Stadtrat Thomas Adler („Fraktion“) sie in seiner Rede nannte. Er forderte einen Mietendeckel, konkret bei den Wohnungen der SWSG, zudem die konsequente Übernahme von Grund und Boden in kommunale Hand. Das Datum der ersten Kundgebung des Aktionsbündnisses nach einer coronabedingten Pause war kein zufälliges. An diesem 27. März, am „Housing Action Day“, protestierten bundes- und europaweit Menschen gegen Wohnungsnot und hohe Mieten. Und auch der Ort war ein symbolträchtiger. Hier war 2018 die Besetzung des Hauses Wilhelm-Raabe-Straße 4. Zwei einstige Besetzerinnen forderten auf der Demo „Widerstand von unten“ und betonten, die fraglichen Wohnungen stünden heute noch leer, nunmehr auch zwei weitere im Haus.
Unmittelbar gegenüber: das Schoettle-Areal. Eine Initiative kämpft dafür, dass dort, wo jetzt noch das Statistische Landesamt und Teile der Uni sitzen, ab etwa 2025 bezahlbare Wohnungen und Räume für Kultur, Soziales und Gewerbe entstehen. „Wir wollen eine echte Beteiligung, wir wollen gefragt werden“, sagte Sabine Vogel von der Initiative ins Mikro und erntete Applaus. Bis zum Beginn der Demo hatten eine entsprechende Petition 1336 Menschen unterzeichnet.
Hoffnung in neuen OB
Ende 2019 standen auf der städtischen Liste für eine Sozialwohnung etwa 4600 Familien, Ende 2020 wartete eine vergleichbare Zahl. „Die Probleme sind durchaus drängend“, sagte Paul von Pokrzywnicki, und in den Augen des Aktionsbündnisses hat Corona die Lage noch verschärft. In der Pandemie könnten sich Geflüchtete in Unterkünften oder Frauen in Frauenhäusern nur mangelhaft vor einer Infektion schützen. Außerdem sei bei vielen in der Krise das Geld knapp, die Mieten stiegen aber weiterhin. „Die Situation ist super prekär“, sagte er, gleichzeitig stünden Wohnungen und tausende Hotelbetten leer.
„Es gäbe Möglichkeiten, dass die Stadt konsequent durchgreift“, glaubte er. Von den Handlungen der Verwaltung in den vergangenen Jahren sei man beim Bündnis „ziemlich ernüchtert“. Entsprechend setze man auch Hoffnungen in den neuen Oberbürgermeister.