An der Heilbronner Straße in Feuerbach im Druckkammerzentrum werden nicht nur Tauchunfälle behandelt, sondern auch Menschen mit Rauchgasvergiftungen und offenen Wunden. Wie das funktioniert, erklärt der Betreiber Ralf Schäfer.

Feuerbach - Von außen sieht die etwa acht Meter lange bunte Röhre wie ein Unterwasserboot auf Tauchfahrt aus. Das Beatles-Lied „Yellow Submarine“ fällt einem beim ersten Anblick ein. In diesem Fall müsste es allerdings „Blue Submarine“ heißen. Blau ist die bestimmende Farbe, zwei Fischchen schwimmen in Richtung der Eingangsschleuse, rote Korallen und andere Meeresbewohner zieren die Außenhaut: „Wir haben unsere Druckkammer in Stuttgart ganz bewusst so bunt gestalten lassen, auch um den Patienten die Schwellenangst zu nehmen. Sogar zwei so genannte Doktorfische sind darauf zu sehen“, sagt Ralf Schäfer, Betreiber der Stuttgarter Druckkammer schmunzelnd.

 

Durch die weiße Schleuse mit dem kleinen Bullauge und der dicken Türe geht es ins Innere. Dort hat es gedämpftes Licht, hellblaue Flugzeugsitze und kleine runde Fenster. Kopfhörer hängen über jedem Platz, zwei Schläuche schlängeln sich von der Decke und führen direkt zu einer Atemmaske, die mittels mehrerer Bänder am Kopf festgeschnallt wird. Pressluft zischt leise. Es fehlt nur noch die Stimme eines Flugkapitäns. Doch die Ansage bleibt aus. Willkommen im Herzstück des Druckkammer-Centrums Stuttgart an der Heilbronner Straße 300.

Überdruck in der Kabine

Normalerweise sitzen oder liegen Patienten in der Kammer. Der Trick bei dieser Therapiemethode ist, dass durch einen Überdruck bis zu 3,1 bar in der Kabine und in Verbindung mit dem eingeatmeten reinen Sauerstoff Wunden besser heilen. Auch viele andere Erkrankungen lassen sich durch diese Behandlungsform lindern und heilen.

Brandopfer mit einer Rauchgasvergiftung und Taucher kommen nach Unfällen ebenfalls in die Druckkammer. Wer die Symptome der Taucherkrankheit hat, braucht sofortige Hilfe. Denn wer zu rasch aus der Tiefe an die Wasseroberfläche kommt, muss mit schlimmen Folgen rechnen. Durch den rapiden Druckverlust perlt Stickstoff im Blut aus. Der Effekt sei vergleichbar mit einer Flasche, in der sich kohlensäurehaltiges Mineralwasser befindet und die schnell geöffnet wird. „Dann perlt es auch“, sagt der Ludwigsburger Anästhesist und Druckkammer-Arzt Clemens Henze. Die Gasbläschen können zu Verschlüssen und Blutgerinnseln führen. In solchen Fällen heißt es nach der Diagnose: Ab in die nächstgelegene Druckkammer und zwar so schnell wie möglich.

Zuschuss der Krankenkassen reicht nicht für Behandlung

Ebenso schnell müsste eigentlich auch die Behandlung nach einer Kohlenmonoxidvergiftung erfolgen. Doch es gibt Probleme bei der Abrechnung der anfallenden Transport- und Behandlungskosten in der Druckkammer, insbesondere bei den akuten Notfällen, berichtet Ralf Schäfer. „Wir hatten 2008 den Fall, dass ein Vater und vier Kinder – das kleinste war zwei Jahre alt – in ihrer Wohnung in Heidelberg eine Kohlenmonoxidvergiftung erlitten“, berichtet der Betreiber des Stuttgarter Druckkammerzentrums. „ Ärzte an der dortigen Universitätsklinik überwiesen die Verletzten nach Stuttgart, um sie einer Druckkammertherapie zuzuführen. „Sie wurden nachts mit vier Notarztwagen zu uns gebracht, wir haben alle behandelt und rennen seitdem den Behandlungskosten hinterher“, sagt Schäfer. Es geht um mehrere tausend Euro. Der Fall sei inzwischen beim Sozialgericht anhängig. „Mitte des vergangenen Jahres war die Anhörung“, sagt Schäfer. Nach dem DRG-System (diagnosebezogene Fallgruppen) würden die gesetzlichen Kassen lediglich einen Fixbetrag zahlen. Doch mit dieser Pauschale könne eine Behandlung im Druckzentrum nie und nimmer finanziert werden.

Nichtsdestotrotz gibt es eine Kooperation zwischen dem Stuttgarter Druckkammerzentrum und dem Krankenhaus Ludwigsburg, weil die dort verantwortlichen leitenden Ärzte die Wirksamkeit der Sauerstoff-Überdrucktherapie erkannt haben. Gerade bei Kohlenmonoxidvergiftungen sei im Hinblick auf mögliche Folgeschäden eine Druckkammer-Behandlung dringend geboten, sagt Clemens Henze, der am Klinikum Ludwigsburg arbeitet.

Doch lediglich in Hessen ist derzeit eine Notfallversorgung rund um die Uhr finanziell gesichert. Ralf Schäfers Fazit ist ernüchternd: „Deutschland ist druckkammertechnisch ein Entwicklungsland. In Städten wie Athen oder Istanbul gibt es mehr Druckkammern als in der gesamten Bundesrepublik.“