Ein Flüchtling klagt wegen angeblicher Polizeigewalt gegen das Land Baden-Württemberg. Unterstützer des Mannes begleiten den Prozess mit Protest. Der Vorwurf gegen die Behörden wiegt schwer.

Stuttgart - Die Klage eines Flüchtlings gegen das Land Baden-Württemberg ist noch vor Beginn der Verhandlung von Protesten begleitet worden. Mehrere Dutzende Menschen versammelten sich am Donnerstag vor dem Verwaltungsgericht in Stuttgart, um gegen Gewalt und Rassismus durch die Polizei zu demonstrieren. Anlass für den Protest ist die Klage eines Mannes aus Kamerun, der sich gegen das aus seiner Sicht unverhältnismäßige Vorgehen der Polizei bei einem Einsatz in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Ellwangen und während seiner Abschiebung im Jahr 2018 wendet.

 

Der 31-Jährige wirft der Polizei vor, bei einer Razzia im Mai 2018 in der LEA in Ellwangen ohne richterlichen Beschluss und ohne sich als Polizei zu erkennen zu geben nachts in sein Zimmer eingedrungen zu sein. Die Polizisten hätten ihn gewaltsam auf dem Boden gefesselt und zudem sein Handy beschlagnahmt, um so zu verhindern, dass er den Einsatz filmen konnte, schilderte der Mann vor Gericht.

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Zwei an der Razzia beteiligte Polizisten bestritten als Zeugen, dem Flüchtling damals sein Handy genommen zu haben. Dass sie ihn auf dem Boden gefesselt haben, beschrieben sie als „üblich“ und für den „Eigenschutz erforderlich“.

Kameruner hält Schild mit „Black lives matter“ in die Luft

Währenddessen drangen die Rufe der Demonstranten vor dem Gericht immer wieder bis in den Verhandlungssaal. Noch vor Beginn des Prozesses hatte der Kameruner im Gerichtssaal ein Schild mit der Aufschrift „Black lives matter“ hochgehalten. Unter diesem Slogan hatte sich in den USA eine Bürgerbewegung gegen rassistische Polizeigewalt gebildet.

Neben dem Vorgehen der Polizei bei der Razzia beklagt der Mann das Vorgehen der Beamten bei seiner Abschiebung im Juni 2018. Vor der Abfahrt in der LEA Ellwangen mit einem Polizeiwagen habe er einen Anwalt anrufen und seine Ausweispapiere zurück haben wollen, berichtet er. Es kam zu einem Handgemenge, und der Mann wurde letztlich auf dem Boden eines Polizeiwagens gefesselt vom Gelände der LEA gefahren.

Auch hier weichen die Beschreibungen des Mannes und die der Polizei mitunter voneinander ab. Dass der Mann seinen Anwalt habe rufen wollen, daran könnten sie sich nicht erinnern, berichten zwei am Einsatz beteiligte Polizeibeamte. Auch, ob der Mann sowohl an Händen als auch Füßen im Wagen gefesselt wurde, bleibt unklar. Das Gericht wird letztlich über eine mögliche Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen zu entscheiden haben. Eine Entscheidung solle am Freitag bekanntgegeben werden, sagte eine Sprecherin des Verwaltungsgerichts am Abend.

Razzia sorgte 2018 bundesweit für Schlagzeilen

Die Razzia in der LEA Ellwangen hatte 2018 bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Nur wenige Tage zuvor war die geplante Abschiebung eines Togolesen abgebrochen worden, weil sich mehr als hundert Flüchtlinge damals mit dem Mann solidarisiert und zum Teil gewaltsam versucht hatten, die Abschiebung zu verhindern. Polizisten sahen sich durch die Menge bedroht und zogen sich zurück. Mit Hunderten Beamten rückte die Polizei daraufhin erneut an. An der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes entzündete sich in der Folge eine Debatte. Der Einsatz kostete nach Angaben des Innenministeriums rund 360 000 Euro. Durch die Klage des Mannes aus Kamerun hat der Einsatz nun auch ein juristisches Nachspiel.

Der Kläger wurde im Juni 2018 nach Italien abgeschoben und kehrte im Dezember 2018 nach Deutschland zurück. Über einen damals gestellten Asylantrag ist seinen Angaben nach bislang nicht entschieden worden. Er lebt derzeit in Bad Waldsee (Kreis Ravensburg) und hat nach Angaben seines Anwalts eine Ausbildung begonnen.