Bummeln, stöbern und dann auch mal zuschlagen: Beim großen Flohmarkt, zu dem an Pfingsten Tausende in die Innenstadt strömen, gibt es manch Nützliches – und eine schwer überschaubare Menge an Kuriosem.

Stuttgart - „Wo kommen denn plötzlich die vielen Leute her?“, fragt der Händler am Alten Schloss, als das Mittagsläuten der Stiftskirche verklingt. Aus allen Himmelsrichtungen wohl, denn der Dauerregen des Morgens hat schon eine Weile ausgesetzt, und nun scheinen die Pfingstbummler dem Wetter zu trauen. Für zwei Stunden liegen sie richtig damit, bevor alles, was draußen liegt und empfindlich ist, erst mal wieder unter die Planen muss. Aber zwei Stunden reichen leidlich, um sich einen Überblick zu schaffen darüber, was auf Markt-, Schiller- und Karlsplatz, in Hirsch-, Kirch- und Dorotheenstraße an 3000 laufenden Metern an Ständen so alles geboten wird.

 

Erstaunlich, mit welchem Selbstbewusstsein hier Sachen angeboten werden, die andere höchstens noch zum Anheizen nutzen würden! Alte Obstkisten zum Beispiel, „alles auf dem Sperrmüll eingesammelt“, wie der Anbieter freimütig einräumt: „Die Leute stehen auf alles, was nach Land riecht“, glaubt er zu wissen. Zehn Schritte weiter dann aber ein Stuhllager, dessen Teile auch in ein Moderne-Museum passen würde. Der letzte Avantgarde-Schrei einst von Eiermann, Eames und Jacobsen, wofür einer Macke wegen auch mal „ein Hunderter nachgelassen“ wird. Sitzprobe nur gegen Erlaubnis, die „Schirme bitte vor dem Stand parken!“.

Wählscheibentelefone und deutsche Uniformen

Dazwischen ein Sammelsurium, wie es bunter kaum sein könnte! Eine Spätzles-Reibe, über der viel geschwitzt wurde, die cremefarbene Wärmflasche, die möglicherweise immer noch dicht ist, die Golfertasche aus einer Zeit, als dieser Sport noch nicht Volkssport sein wollte. Das Fahrrad vom Opa, die Gugelhupf-Form von der Oma nebst deren fußbetriebener Singer-Nähmaschine. Die Zuckerdose und der Schäferhund aus Porzellan, ein Turbo-Toaster, „deutsche Uniformen“, ein Dreschflegel für zehn, eine Bernsteinbrosche für sagenhafte sechs Euro. Ein Schnäppchen also. Gehandelt wird sowieso.

Was kostet es fragen die Anfänger, bei anderen fragt der Händler gleich: „Was wollen Sie geben?“ Der Kunde ist König! 30 Euro für ein Wählscheiben-Telefon „als Spielzeug“ sind ihm dann aber doch zu viel. Aber wie wäre es mit einer alten Parkuhr? „10 Pf. - 30 Min.“: „So billig parken Sie nie mehr!“

Wenn Gegenstände sprechen könnten, sie würden ein Jahrhundert lang von einem Jahrhundert erzählen. Das ist es ja auch, was die Bummler lockt, diese Zeitreise ins Analoge, der Geruch, die Patina, das Gebrauchte, das nicht mehr Perfekte, das Beschädigte. Das Chaos. Aber auch das Nützliche. Klamotten aus zweiter Hand zum Beispiel, von wilden Wühltischen bis zu akkurat in Ordnung gehaltenen Kollektionen. „Große Größen zu kleinen Preisen“ taugt hier auch sonst als Motto. Daneben aber auch nicht gerade wenig Massenware, Schmuck und Taschen, Lederzeug und Folklore-Fetzen. Professionelle Händler von Uhren, Geschirr und Besteck, Platten und CDs.

Weihnachtsdekoration für die Ungeduldigen

Und zwischendrin immer wieder die Sachen vom Nachbarn von Nebenan. Kinderspielzeug von der Mama, die „mal ein bisschen aufgeräumt“ hat. Für acht Meter Stand à 13 Euro haben sich fünf Familien zusammengetan: „Die Keller ausgeräumt, denn neues Spielzeug gibt es jetzt nur noch, wenn altes wegkommt.“

Lesefutter wird sogar dort gesucht, wo Bananenkisten in Auflösung begriffen sind oder Gedrucktes vor der Papiermühle gerade nochmal die Kurve gekratzt hat. Ansteckend, dieser Optimismus, dass nichts verloren sei und alles irgendwie noch einen Wert haben, einen neuen Nutzer finden könnte! Und wer jetzt im Frühjahr „zauberhafte Dekoration zur Weihnachtszeit“ braucht, hier kann er’s haben: „Zu schade zum Wegwerfen“, erklärt die Frau, während der Mann mit den Elvis-Platten und dem alten Grundig-Tonbandgerät angesichts unübersehbar vieler, sich durchschiebender Besucher sicher ist: „Heute geht noch was!“