Insgesamt hat die Stadt Rücklagen in Höhe von 2,64 Milliarden Euro. Das viele Geld wirft kaum Zinsen ab. Nun sollen die Eigenbetriebe helfen.

Stuttgart - Die Landeshauptstadt hat das Haushaltsjahr 2018 mit einem Rekordüberschuss von 525 Millionen Euro abgeschlossen und ihre Rücklagen für Sonstiges auf über eine Milliarde Euro erhöht. Damit steht sie vor einem Luxusproblem: Sie könnte bei der Landesbank (LBBW) absehbar Negativzinsen zahlen müssen. Die Finanzverwaltung will das verhindern und sucht nach alternativen Anlagemöglichkeiten.

 

„Die Stadt Stuttgart zahlt keine Negativzinsen“, stellt Jürgen Vaas klar. Allerdings, so der Leiter des Steueramtes, habe die LBBW Vorgaben gemacht, bis zu welcher Obergrenze das Institut noch Geld annimmt, ohne Minuszinsen der Europäischen Zentralbank (EZB, derzeit 0,4 Prozent) weiterzureichen. Im September könnte der Satz bei minus 0,5 Prozent liegen.

LBBW erhebt „individuelles Entgelt“

Wo genau die LBBW die Grenze zieht, will Vaas nicht sagen. Die Bank verweise darauf, dass sie „uns nicht anders behandeln kann als ihre anderen Kunden“. Die Stadt hält an ihrer Hausbank 18,93 Prozent des Stammkapitals. Bei Kommunen erhebe man „wie auch bei institutionellen Kunden und Großunternehmen“ im Einzelfall ein „individuelles Entgelt für hohe kurzfristige Einlagen, die nicht der Disposition des täglichen Zahlungsverkehrs dieser Kunden dienen“ teilt die LBBW auf Anfrage mit.

Die überbordende Liquidität der Stadt ist vom Gemeinderat immer wieder kritisiert worden. „Dahinter stecken aber auch viele vom Rat beschlossene Maßnahmen“, so Vaas. Das Problem ist, dass sie nicht in der gewünschten Zeit abgearbeitet werden können. Die Finanzverwaltung muss den Geldfluss so managen, dass die Mittel bei Bedarf bereitstehen. Um Negativzinsen zu vermeiden prüft die Finanzverwaltung Alternativen: Viel Geld soll zu den Eigenbetrieben gelenkt werden. Auf diese Weise könnte die Stadt den Investitionsbedarf der Stadtentwässerung Stuttgart (SES), aber auch der Abfallwirtschaft (AWS) decken, die sich bisher vorwiegend bei Banken bedienen. Bei Bedarf könnte sie das Geld in den Haushalt zurückholen.

Hohe Investitionen stehen an

„Wir werden in den nächsten zehn Jahren einen Investitionsbedarf von rund 700 Millionen Euro haben“, sagt Frank Endrich, der kaufmännische Betriebsleiter der SES. Aus dem Abwasser sollen künftig Spurenstoffe aus Medikamenten entfernt werden, die Klärschlammverbrennung schlägt überdies zu Buche. Beim Bau eines neuen Ofens müsse man mit 90 Millionen Euro rechnen.

Das überwiegend gebührenfinanzierte Unternehmen weist 560 Millionen Euro an Verbindlichkeiten aus (2018), 281 Millionen davon bei Banken. Die Stadt hat bisher 43 Millionen Euro Kredit gegeben. Die Summe wäre ausbaufähig. 40 bis 50 Millionen Euro könnten jährlich an SES fließen.

Vier Prozent Zins für Trägerdarlehen

Vaas rechnet damit, dass bis 2024 insgesamt rund 300 Millionen Euro an SES und dem Abfallwirtschaftsbetrieb (für den Bau der Biomüll-Vergärungsanlage) verliehen werden könnten. Die Betriebe müssten den für einen Bankkredit üblichen Zinssatz zahlen. „Die Marktkonditionen liegen zurzeit bei etwa 1,5 Prozent“, so Endrich. Die Abwassergebühr soll wegen der Investitionen moderat steigen, „alle drei bis vier Jahre um vier bis fünf Prozent“, so Endrich.

Für ihr Trägerdarlehen an SES in Höhe von 281 Millionen Euro, das nicht getilgt wird, erhält die Stadt laut Endrich aktuell sogar an die vier Prozent Zins pro Jahr. „Der Satz darf nicht mehr als 0,5 Prozent über der Verzinsung aller Darlehen im Unternehmen liegen“, erklärt der kaufmännische Betriebsleiter. Das sind die Vorgaben von Gemeindeprüfungsanstalt und Rechnungsprüfungsamt. Trägerdarlehen sind für die Stadt damit eine sehr rentierliche Anlageform. Insgesamt hat sie rund 300 Millionen Euro ausgereicht.

Weitere Fonds möglich

Eine weitere Alternative, Geld außerhalb der Bank unterzubringen, ist die Bildung weiterer Fonds. In zwei hat die Stadt bereits 2008 und 2013 rund 760 Millionen Euro geparkt. Nach einer Schwächephase entwickelten sich die Anlagen 2019 wieder positiv, so Vaas. Wenn man in weitere Fonds investiere, dann gehe es um dreistellige Millionenbeträge. Eine Entscheidung darüber solle nach den Beratungen für den Doppelhaushalt 2020/2021 fallen. OB Fritz Kuhn (Grüne) stellt ihn am 23. September der Presse vor.