Gleich sechs Friseursalons gibt es in Stuttgart-Heumaden, im Bezirk Sillenbuch sind es sogar 14. Dennoch existieren sie alle friedlich nebeneinander – teils seit Jahrzehnten. Was ist ihr Rezept? Drei Haarkünstler erzählen.

Heumaden - Mehr als 9000 Menschen leben in Heumaden. Sie können im Stadtteil in zwei Supermärkten einkaufen oder in zwei Restaurants und zwei Vereinsgaststätten speisen. Und sich in gleich sechs Friseursalons die Haare schön machen lassen. Das ist verhältnismäßig viel auf engem Raum, vor allem, wenn man bedenkt, dass nach einer Untersuchung der Gesellschaft für Konsumforschung von 2015 etwa vier von zehn Männern weniger als einmal im Jahr Haare lassen. Bei den Frauen gilt immerhin jede Dritte als friseurunwillig. Zumal: In Sillenbuch und Riedenberg buhlen auch noch etliche Salons um die Köpfe der Kundschaft. Acht zählt Heidi Lang auf.

 

Bekanntheit allein reicht nicht aus

Sorgenfalten bekommt sie deswegen keine. Heidi Lang wäscht, schneidet und legt seit knapp 35 Jahren im kleinen Zentrum des Heumadener Gebiets Über der Straße, also quasi seit Stunde null. In ihren kleinen urigen Salon, den sie als One-Woman-Show betreibt, finden in allererster Linie Stammkunden den Weg. Dort ruft man sich beim Namen, dort erzählt man sich zwischen Trockenhauben und Seidenblumen viel Privates. „Der Friseur weiß mehr als der Pfarrer“, sagt Lang lachend. Mit Leistung und Qualität, betont sie, habe sie sich einen guten Ruf erarbeitet, der habe sie all die Jahrzehnte getragen. Nicht nur aus den Nachbarhäusern kommen die treuen Kunden, sondern auch aus Bad Cannstatt oder dem Raum Göppingen.

Was die 62-Jährige aber auch betont: Bekanntheit allein reicht nicht aus. Auch sie muss sich breit aufstellen, etwa Kosmetik, Brautservice und Hausbesuche anbieten, außerdem sei eine gute Internetseite das A und O.

Der Friseur hat in der Regel Kunden seines Alters

Klaus Manßhardt lässt es etwas ruhiger angehen. Haarverlängerungen, Regenbogenfarben, Undercut – der 66-Jährige macht nicht mehr jeden Trend mit. Seit 1949 ist der Salon Manßhardt an der Nellinger Straße ein Begriff – gegründet seinerzeit vom Vater im umgebauten Stall –, vor genau 50 Jahren hat er selbst seine Lehre begonnen. Der Chef kennt die meisten, die bei ihm ein und ausgehen, etwa aus der Schule oder aus der Feuerwehr, „wir haben keine Laufkundschaft, null Prozent“. Die Klientel ist etwas reifer, wie er sagt, „der Friseur hat in der Regel Kunden seines Alters“. Dementsprechend lege sie Wert auf einen klassischen Friseurbesuch ohne laute Chartsmusik und zig Menschen, die warten und gaffen. Manßhardt bedient diese Nische perfekt. Das Geschäft, in dem er seit einigen Monaten allein arbeitet, seitdem seine Frau einen Bandscheibenvorfall hatte, ist schnörkellos gehalten. Wenige, dafür hochwertige Produkte stehen in schlichten Regalen. Termine sind großzügig berechnet. „Ich mache keinen Haarschnitt in einer Viertelstunde“, sagt der Friseurmeister. Ruhe ist Klaus Manßhardts Stärke.

Eine Teilzeit-Verstärkung wird vergeblich gesucht

Gediegen hier, lustig dort. Christina Geiger betreibt an der Bildäckerstraße den größten Salon in Heumaden, das Lachen von ihr und Mitarbeiterin Martina Witt schallt dennoch bis auf die Straße. „Wir machen gern Witze. Viele kommen bedröppelt rein und gehen gut gelaunt wieder raus“, sagt Geiger, die das Geschäft, den ehemaligen Salon Brenner, vor etwa zehn Jahren übernommen hat. Der Laden mit den vielen Orchideen kennt sie wie ihre Westentasche, 1985 hat sie dort ihre Ausbildung begonnen. Und mit ihrer Kollegin verbindet sie mehr als eine geschäftliche Beziehung. „Wir sind wie verheiratet“, sagt Martina Witt, und da ist es wieder, dieses Lachen. Bilder der Freundinnen im Wasen-Look hängen an der Wand. Man könnte sie für Schwestern halten. Schwarzes Haar, schwarz umrandete Augen, schwarze Kleidung, grell lackierte Fingernägel. Bei der Kundschaft kommt das an, der Salon läuft. Die 49-jährige Chefin würde „Christina’s Friseur Team“ gern aufstocken. Seit anderthalb Jahren sucht sie eine Teilzeit-Verstärkung – vergeblich.

Vielleicht doch Auswüchse einer Konkurrenzsituation? In Heumaden jedenfalls wird es womöglich bald nur noch fünf Friseure geben. Klaus Manßhardt will noch ein Jahr, bis 67, machen. Auf die Frage, ob der Ur-Heumadener einen Nachfolger suchen wird, zieht er die Nase kraus. „Ich müsste jemanden finden, der 100-prozentig passt.“ Zum Salon, zur Stammkundschaft, zur Nische. Klaus Manßhardt lächelt. „Ich bin eher geneigt, es zu lassen.“