In einer leistungsorientierten Gesellschaft geht Einzigartigkeit schnell verloren. Sieben Abiturienten von zwei Gymnasien leiden darunter – und haben ihre Gefühle kreativ umgesetzt. Am 8. April zeigen sie dies bei einer Werkschau.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Hohenheim/Möhringen - Die Probe beginnt für Julia Hoss nach einer sechsstündigen Deutschklausur. Doch Ausruhen ist nicht drin; auch in den letzten beiden Schulstunden am späten Montagnachmittag muss die 18-Jährige Leistung bringen. Denn auch wenn die Abiturienten in dem Literatur- und Theaterkurs eben genau diesen wachsenden Leistungsdruck in unserer Gesellschaft anprangern, müssen die Texte, Schritte und Tänze bei der Werkschau in einer Woche, am 8. April, sitzen.

 

In den vergangenen Monaten haben sich sieben Schüler des Paracelsus-Gymnasiums Hohenheim und des Möhringer Königin-Charlotte-Gymnasiums mit dem Konflikt zwischen Leistungsdruck und Einzigartigkeit auseinandergesetzt. Das Thema haben sie sich selbst ausgesucht: „Wir erleben in der Schule so viel Stress, dass wir eigene Interessen kaum mehr verfolgen können – und das geht natürlich nicht nur Schülern, sondern auch Erwachsenen so“, sagt Stefanie Krüger. Die Abiturienten halten es aber für wichtig, dass man sich von hohen Erwartungen nicht kleinmachen lässt: „Ich glaube, dass es möglich ist, dass mein sein Bestes gibt und trotzdem einzigartig bleibt“, sagt die Schülerin Siham Abdosch.

Abiturienten wollen nicht nur unterhalten

Für ihre Werkschau haben die sieben Abiturienten diverse Szenen entwickelt und geprobt. Da sieht man zum Beispiel, wie alle im Gleichschritt laufen – bis einer von ihnen plötzlich stehen bleibt. Oder aber jeder hält Schilder mit Adjektiven hoch, mit denen sich Menschen selbst beschreiben. Wenn dabei dann einige Eigenschaften mehrfach auftauchen, stellt sich unweigerlich die Frage, wie einzigartig man tatsächlich ist. Außerdem sollte sich jeder ein Tier überlegen und dessen Eigenschaften für eine gewisse Zeit übernehmen – ohne dass die anderen wussten, welches Tier der andere darstellt. „Ich habe mich zum Beispiel in ein Faultier verwandelt. Einige Eigenschaften des Tiers treffen auch auf mich zu“, gibt Stefanie Krüger zu. Ihre Mitschülerin Julia Hoss hat unterdessen einen Jaguar gemimt. Das Aufeinandertreffen der beiden jungen Frauen in den Rollen der jeweiligen Tiere hat die übrigen Klassenkameraden so amüsiert, dass sie auch diese Szene nachstellen werden.

Bei ihrer Werkschau wollen die Abiturienten einerseits unterhalten, andererseits aber auch zum Nachdenken anregen. „Wir sind schon der Meinung, dass man an Schulen mehr auf die Individualität der Einzelnen eingehen sollte. Denn jeder hat etwas, was er besonders gut kann“, meint Julia Hoss. Zugleich aber machen sie sich keine Illusionen: „Unsere Gesellschaft ist auf dem Kapitalismus aufgebaut. Und oft geht es eben nicht darum, wer etwas am schönsten macht, sondern wer es am schnellsten macht“, sagt Stefanie Krüger.

Das Leitmotiv ist eine Blume

Wichtig ist den Schülern auch, dass sie von Eltern und Lehrern mehr Verständnis für ihre individuellen Situationen erlangen – und Mitschülern das Gefühl geben, dass sie mit dem Leistungsdruck nicht alleine sind. Wenn Eltern zum Beispiel grundsätzlich sagen, dass ein Architekturstudium unvernünftig ist, dann sollten sie dabei immer bedenken, was sie bei ihrem Kind damit auslösen, verlangen die Abiturienten.

Als Leitmotiv für ihre Werkschau haben sich die Schüler die Strelitzie ausgesucht; die Pflanze, die als Symbol für Einzigartigkeit gilt und auch Paradiesvogelblume genannt wird. Die meisten Menschen wissen, dass die Strelitzie „irgendeine Blume“ ist, jedoch nicht was für eine. Und genauso ist es auch mit der Einzigartigkeit, finden die jungen Leute: Man weiß, dass sie existiert, hat aber vergessen, was sie bedeutet.

Termin am 8. April

Die Werkschau der Abiturienten ist am Montag, 8. April, im Musiksaal des Paracelsus-Gymnasiums, Paracelsusstraße 36. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.