Während des Zweiten Weltkriegs sollte künstlicher Nebel Stuttgart vor Bombenangriffen schützen. Der Nutzen der aufwendigen Aktion ist zutiefst fragwürdig: Alliierte Flieger fanden und trafen die Stadt dennoch.

Feuerbach - Vor 80 Jahren, am 27. Februar 1941, wurden in Stuttgart die ersten sieben Vernebelungsanlagen aufgestellt, die die Stadt gegen Fliegerangriffe schützen sollten. Zwar war es damals vor allem noch die deutsche Luftwaffe, die Ziele in England bombardierte, doch auch die britische Royal Air Force (RAF) startete in diesem Jahr ihre ersten größeren Angriffe auf das Reichsgebiet.

 

Um den feindlichen Fliegern den treffgenauen Abwurf ihrer tödlichen Last zu erschweren, sollten Städte, Industrieanlagen, Flugplätze und andere potenzielle Ziele in dicke Nebelschwaden gehüllt werden. In Stuttgart, das hat der Verein Schutzbauten Stuttgart recherchiert und berichtet darüber auch in seinem neuen Rundbrief, wurde dazu zunächst Chlorsulfonsäure eingesetzt. Beispielsweise bei einem Vernebelungstest des Neckartals am 10. April 1942. Mit gravierenden Folgen: Die Vegetation erleidet starke Schäden, Hunderte von Obst- und Gemüsebauern verlangen daraufhin Schadenersatz. Und Vertreter aus Industriebetrieben beschweren sich, weil Metallteile stark korrodierten. Dennoch besteht das Luftgaukommando auf der testweisen Einnebelung des Daimler-Areals. Dazu werden auf Neckarbrücken Vernebelungsgeräte aufgestellt. Auch diese Aktion hinterlässt ihre Spuren: Chemikalien tropfen in den Fluss, viele Fische verenden.

Nebel mit Nebenwirkungen

Aufgrund der Nebenwirkungen entschließt man sich, den Wirkstoff zu wechseln und steigt auf Ammoniumchlorid um. Im September 1942 findet ein neuerlicher Test statt, die unerwünschten Nebenwirkungen bleiben diesmal aus. Einen Monat später kann dank der neuen Substanz der Stuttgarter Talkessel mit einem dichten Nebelschleier überzogen werden. Allerdings ist das neue Vernebelungsmittel schwer zu besorgen. Der damalige Stuttgarter Oberbürgermeister Karl Strölin bekommt schließlich eine Zuteilung von 1500 Kilogramm von Gauleiter Wilhelm Murr bewilligt. Die Chemikalie erhält den Tarnnamen „Badesalz“.

Verschiedene Nebelgeräte werden daraufhin über ganz Stuttgart verteilt – insgesamt soll es rund 410 Stellen gegeben haben. In Feuerbach beispielsweise bei großen Firmen wie Kiefer, Gretsch-Unitas, Zimmermann oder Werner Pfleiderer. Es existieren sogar zehn mobile Anlagen auf Lastwagen, die je nach Witterung platziert werden. Nebelwarte betreuen stationäre Geräte, sie müssen die ausgebrannten Kammern ausputzen und neu mit Chemikalien befüllen. Gezündet werden die Geräte meistens zentral von einer Flakleitstelle.

Die Bomber finden ihre Ziele trotzdem

Im Nachhinein dürfte dieser ganze Aufwand relativ umsonst gewesen sein. Alliierte Bomber hatten kaum Mühe, Stuttgart zu finden – und auch zu treffen. Dank der immer besser werdenden Navigationssysteme, zu denen auch Radar gehörte, musste die Stadt unter zahlreichen Angriffen leiden. Ohnehin setzten vor allem die Briten auf nächtliche Flächenbombardements, bei denen es gar nicht wichtig war, einzelne Ziele genau zu treffen. Vielmehr sollte durch möglichst große Zerstörungen die Moral der Bevölkerung gebrochen werden („Moral Bombing“). Wie beispielsweise am 12. September 1944, als gut 200 Maschinen der RAF einen Feuersturm entfachten, der 957 Opfer forderte. Insgesamt kamen bei 53 Angriffen auf Stuttgart im Zweiten Weltkrieg 4562 Menschen ums Leben.